Im Vorprogramm der Stahlmann „Bastard“-Tour befand sich nicht nur die Norddeutsche Combo b.o.s.c.h., sondern auch Amandas Nadel der mit seiner vierköpfigen Band aus dem schönen Nachbarland Österreich angereist war.
Und da Redakteurin Ginger erklärter Fan dieses Dialekt ist und sich die Vita des in der Steiermark geborenen Sängers, Songwriters und Gitarristen sich nicht ganz uninteressant liest, kam beim Tourstop in Leipzig die Gelegenheit Amandas ein wenig auszuhorchen über Fritz die Maus, Falco, Jennifer Rostock und Album No. 2.
Und da die Bühne des Hellraisers ein wenig kuschelig klein war, gibt es die artikelbegleitenden Bilder diesmal von Redakteurin Angy aus dem Backstage München. 😉 🙂
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Ginger: Danke, dass du dir die Zeit für ein Interview nimmst.
Amandas: Ja klar gerne. Danke, dass du dir ebenfalls Zeit genommen hast.
Ginger: Dann fangen wir mal mit einer kurzen Frage an: Wie war es eben hier im Hellraiser?
Amandas: Es war heute ein schwieriges Publikum. Witzigerweise ist es für mich schwieriger, wenn das Publikum eher die Sänger mit klassisch tiefen Stimmen liebt. Und als Support ist das teilweise auch normal, dass die Leute vorerst nur eher teilnahmslos herumstehen. Manchmal hat man ein Publikum, das einen nicht richtig „annimmt“. Es waren aber auch Leute dabei, denen es anscheinend ganz gut gefallen hat, und das sind die, für die ich dann auch spiele, und denen möchte ich eine Freude machen mit meiner Musik. So gesehen hat es also gepasst.
Ginger: Du warst schon mit Unzucht, Heldmaschine und nun Stahlmann unterwegs, dort erlebst du ja das Publikum bunt gemischt. Auch von Location zur Location ist es ja nochmal anders. Hat sich dort bisher ein Favoriten-Song heraus polarisiert, von dem du sagen kannst, damit catche ich die Leute?
Amandas: Das kann ich, glaube ich, gar nicht sagen. Das hängt bei mir ganz stark von meiner persönlichen Energie ab. Im Vergleich zu klassischen NDH-Bands stehen bei mir eher Melodien im Vordergrund. Deshalb gibt es da nicht den „einen“ Song. Jedes einzelne Lied spricht andere Menschen an. Ich könnte eigentlich nur sagen, welche Songs ich am meisten mag…
Ginger: Und welche sind das?! Das will ich jetzt auch wissen. 😉
Amandas: Ich mag eigentlich alle meine Songs recht gern. Ich mag und spiele „Durch Die Nacht“ und „Wir Sind Das Feuer“ sehr gerne. Und momentan liebe ich auch das Cover „Mach Die Augen Zu“ von Die Ärzte. Das spiele ich wirklich mit großer Freude.
Ginger: Dein Debüt-Album kam 2015 raus, ist also schon ein Weilchen auf dem Markt. Leben bedeutet ja auch Verwandlung. Das sieht man dir ja auch absolut an. Gibt es da aus der heutigen Sicht einen Song, bei dem du sagst, den hätte ich anders arrangiert, würde ich noch mal auf das zweite dritte Album packen oder einfach noch einmal neu interpretieren?
Amandas: Definitiv! Ich glaube, das wäre meine erste Single, die ich rausgebracht habe, „Vampir“. Die würde ich heute ganz anders machen. In Wirklichkeit war „Vampir“ ein bisschen humoristisch gemeint, aber es ist leider zu ernst ausgeartet, und dadurch hat das Ganze ein bisschen eine Platitüdenhaftigkeit bekommen. Es ist passiert, aber ich bin stolz auf das Video und auf den Song. Trotzdem würde ich ihn heute definitiv anders produzieren.
Ginger: Außerdem habe ich auf der Webseite deines Bookers Anubis Artist Service gelesen, dass bald ein zweites Album kommt?
Amandas: Ja genau. Ich arbeite da momentan sehr intensiv dran, leider schon etwas länger. Durch private Geschichten hat sich vieles verzögert, und ich plane es im Herbst zu veröffentlichen. Es wird voraussichtlich 16 Songs beinhalten, also ein ziemlich großes Album. Und vieles, was ich heute gespielt habe, ist schon vom neuen Album.
Ginger: Dein Album Sticht sticht ja mit manchen Themen echt ins Herz. Wird es auf deinem neuem Album, um ähnliche Themen gehen?
Amandas: Nein. Das kommende Album hat zwar einige Songs, die durchaus ernste Themen behandeln, aber Sticht war für mich, bis auf wenige Ausnahmen, eher ein persönliches Therapiealbum. Bei Sticht habe ich sehr viel über meine persönliche Trauer geschrieben und über den Scheiß, den ich im Leben erlebt habe. Ich habe versucht mit den Songs einen Schlussstrich zu ziehen. Das neue Album ist für mich viel kräftiger, viel lebensfroher und für mich irgendwie ein „Attacke“-Album.
Ginger: In deiner Biografie habe ich gelesen, dass du Studiomusiker warst und dann als Live-Gitarrist bei verschiedenen Bands mitgespielt hast. Hat sich das organisch entwickelt, dass du gesagt hast „Jetzt mache ich mein eigenes Ding, auf dem mein Name steht“ oder war das etwas, das du schon länger geplant hattest?
Amandas: Es ist organisch entstanden. Ich habe jahrelang in Bands gespielt, in denen ich nur Gitarrist war, für die ich aber auch sehr viele Songs beigesteuert habe. Irgendwie war ich aber nie glücklich, wie die Sänger, für die ich gespielt habe, meine Songs interpretiert haben. Es ist eine echte Herausforderung die richtige Konstellation an Musikern zu finden, mit denen man wirklich was aufbauen kann. Irgendwann habe ich dann „Schluss! Aus! Ich mache jetzt mein eigenes Ding.“ gesagt. Ich fing dann an Songs für mein deutsches Rockprojekt, das ich gerade eben auf der Bühne performt habe, zu komponieren. Der erste Song war damals „Fritz die Maus“. Dann habe ich Stück für Stück Musiker zusammen gekratzt. Thomas, der jetzt Bass bei mir spielt, hat schon bei meiner letzten Band mitgewirkt. Ich fragte ihn, ob er Lust hätte mein Soloprojekt zu unterstützen. Und so hat eins das andere ergeben. Jetzt bin ich mittlerweile mit Max beim dritten Schlagzeuger angelangt. Mit ihm bin ich jetzt sehr glücklich. Er ist ein wirklich wunderbarer Drummer. Ich habe das Glück, dass ich ein tolles Team zusammenstellen konnte. Natürlich gibt es hin und wieder Reibereien, aber das kommt vor. Trotzdem funktioniert es. Daher blicke ich positiv in die Zukunft.
Ginger: Und der weibliche Part in deiner Band?
Amandas: Betti ist meine Ex-Partnerin. Als wir noch zusammen waren, habe ich eine Band gegründet, mit der ich meine englischsprachigen Songs heraus performt habe. Nachdem ich mit ihr mehrstimmige Sachen gesungen habe, habe ich zu ihr gesagt, sie solle doch lieber statt Schlagzeug zu lernen (ihr ursprünglicher Wunsch) Gesangsunterricht nehmen. So habe ich sie gewissermaßen auf ihren Weg gebracht, und sie hat sich super entwickelt. Ich bin sehr glücklich, dass ich sie jetzt dabei habe, weil sie einfach eine riesige Stütze ist und einen großen Teil dazu beiträgt, damit dieses Projekt überhaupt funktioniert.
Ginger: Könntest du dir mit jemand anderen auch ein Duett vorstellen, egal ob eine männliche oder weibliche Stimme?
Amandas: Definitiv! Ich träume von einem Duett mit Jennifer Rostock.
Ginger: Okay, dann mal sehen, ob Jennifer Rostock das hier liest. 😉
Jetzt habe ich natürlich noch ein bisschen was anderes in deiner Biografie gelesen. Du hast Medizin studiert und da dein Interesse auf Psychologie gelegt?
Amandas: Meine psychologischen Studien waren von privatem Interesse. Mein Interesse ist immer in Richtung Psychiatrie gegangen. Psychologie ist kein Bestandteil des Medizinstudiums, obwohl ich mich sehr dafür interessiere.
Ginger: Und da würde ich jetzt mal ganz investigativ nachfragen: Was würdest du als deinen charmantesten und liebenswertesten Tick bezeichnen?
Amandas: Uiii * schmunzelt* Ich meine ich habe meine Ticks. Ich weiß halt nur nicht wie liebenswert sie sind. Wenn ich was getrunken habe, werde ich sehr anlehnungsbedürftig. Aber ich bin jetzt nicht der Typ der rummacht. Das würde ich nur mit meiner Freundin machen. Ich weiß nicht mehr wie die Frage sonst beantworten soll. 😀
Ginger: Dann lassen wir das jetzt mal so stehen. 🙂
Amandas: Das solltest du vielleicht mal meine Band fragen! 😀
Ginger: Auf was muss man sich einlassen, wenn man Amandas Nadel trifft?
Amandas: Ich kann sagen, dass ich manchmal über die Stränge schlage. Das weiß ich von mir, und das habe ich auch ziemlich oft mit meinen Leuten besprochen. Deshalb denke ich, dass ich ein gutes Maß an Selbstreflexion mitbringe. Ich kenne meine „dunklen“ Seiten durchaus sehr gut.
Ginger: Und das ist auch die Quelle, aus der du deine Energien für die Eigentherapie-Songs gezogen hast, die auf Sticht entstanden sind.
Du hast ja gesagt, dass dir die multilinguale Sprache für Songs einst zusagte. Wie sieht es hiermit für das nächste Album aus – worauf ich natürlich schon sehr neugierig bin.
Amandas: Damit habe ich ein bisschen ein Problem, obwohl ich Englisch wirklich liebe und gerne singe, weil sich in Englisch manchmal andere Emotionen reinlegen lassen. Ich weiß nicht warum das so ist bzw. ich das so empfinde. Das ist so eine Gefühlssache. Manchmal ist es für mich mit Englisch leichter. Aber Englisch zu singen und dann auch in Englisch zu moderieren ist mir peinlich, weil ich kein Muttersprachler bin. Das kann auch natürlich alles nur in meinem Kopf so sein. Aber ich fühle mich mittlerweile in meiner Muttersprache am wohlsten. Dort bin ich am authentischsten. Ich hoffe es ist okay, wenn ich hin und wieder den Wiener raushängen lasse und die Leute mich verstehen.
Ginger: Wie empfindest du es denn: Gibt es Unterschiede zwischen dem deutschen Publikum und dem österreichischen Publikum?
Amandas: Ja definitiv.
Ginger: Hat es etwas damit zu tun, dass du von dort kommst oder gehen sie wirklich anders damit um, weil sie kritischer oder auch lebenslustiger sind?
Amandas: Ich würde prinzipiell das deutsche Publikum als offener bezeichnen. Der Österreicher ist grundlegend anders; der hat so einen komischen Komplex. Er mag sich selbst nicht, und das ist in ihm sehr stark verankert. Er lehnt sich selbst ab. Ein eigenartiges Ding. Es gibt da ein berühmtes Zitat von Falco: „In Wien musst du erst sterben, damit sie dich hochleben lassen.“. Genauso war es auch in seinem Leben. Er ist unser Michael Jackson und auf der ganzen Welt bekannt. Er ist in den letzten 15 Jahren seiner Karriere medial getötet worden. Aber heute gibt es fast an jeder Ecke in Wien Falco-Musicals und dergleichen. Das ist so ein typisch österreichisches Ding. Ich habe mit meinem Soloprojekt viel in Österreich gespielt. Wenn ich von der Bühne runter komme und mit einem österreichischen Fan oder jemanden aus dem Publikum spreche, fragen mich viele dann ganz enthusiastisch als Erstes woher ich eigentlich komme. Wenn ich sage, dass ich aus Wien komme, bekomme ich nur ein traurig-enttäuschtes „Achso“ entgegnet. Man kann dann regelrecht im Kopf den Nachsatz hören „Das ist eh nur ein Wiener.“. Dieser Komplex ist sehr traurig, weil der Österreicher so seinen eigenen musikalischen Nachwuchs unterdrückt. Es gibt natürlich dann immer wieder Bands, wie z.B. Wanda, die es irgendwie schaffen. Aber da sind auch schon andere treibende Kräfte dahinter, z.B. Geld und Geld und jemanden zu kennen, der jemanden kennt. 😉 Es ist in diesen Fällen nicht nur einheimisches Publikum, das diese Bands nach oben treibt. Es gibt nur wenige österreichische Bands, die es auf organischen Weg „nach draußen“ schaffen, und das liegt an der Szene, die quasi nicht vorhanden ist.
Ginger: Also deshalb seid ihr auch mehr in Deutschland unterwegs?
Amandas: Ja. Vor allem für die Musik, die ich mache, gibt es in Österreich wenig Publikum. Ich gehe sowieso meinen eigenen Weg. Ich schreibe zwar deutschsprachige Texte, aber die Musik selbst ist eher amerikanisch. Ich mache keinen klassischen Deutschrock mit Punk-Elementen und ich mache auch keine klassischen NDH. Ich mische alles irgendwie zusammen, und dann kommen am Ende Einflüsse von z.B. von Alter Bridge dazu. Oft ist auch eine Prise Rammstein drin. Ich weiß, ich schweife da jetzt ab, aber ich lese so oft auf diesen Musikerplattformen, auf denen man sich als Band eintragen kann, oder auch in der Info auf Facebook-Künstlerseiten „Klingt wie: …“. Und da sag ich mir immer: „Ich will nicht „wie“ klingen! Ich will „wie ich“ klingen!“ Warum soll ich jemandem sagen, ich klinge „wie“? So mache ich das nicht. Ich will keine 20. Rammstein-Coverband mit eigenen Texten gründen. Musik und Kunst sind Wege man selbst sein zu können. Ich verstehe das einfach nicht… Ich will ICH sein.
Ginger: Dann erlöse ich dich nun mit der letzten Frage. Was kann man noch von dir in nächster Zukunft erwarten?
Amandas: Ich habe natürlich schon meine Fühler ausgestreckt, aber es gibt noch nichts, das ich jetzt schon aussprechen möchte. Klarerweise weise ich gerne nochmal drauf hin, dass es im Herbst das neue Album geben wird, das bei Echozone erscheinen wird. Und ich arbeite daran, dass ich eine Tour zustande bekomme. Drückt die Daumen! Es wird weitere Konzerte geben. 2019 ist zum Beispiel das Black Castle Festival in Mannheim geplant. Ansonsten ist mein Projekt noch jung. Ich muss mir das Publikum erspielen, das meine Musik auch mag, weil ich eben nicht wie „wie“ klinge.
Ich gehe keine getretenen Pfade. Ich schreite mit der Machete durch das Dickicht und schlage meinen eigenen Weg. Deshalb muss ich von Auditorium zu Auditorium die Menschen einzeln „abholen“. Und ich weiß, das braucht seine Zeit.
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So folgt nun gern der Einladung von Amandas Nadel und lasst euch abholen – vom aktuellen Album und vom bald erscheinenen neuen Werk. Behaltet dazu einfach die Homepage von Amandas Nadel im Auge. 😉
Text + Interview: Ginger Chan
Photos: Angy Bark