Video Review: Letzte Instanz – „Children“

Mit freundlicher Erlaubnis dürfen wir zur Ankündigung des kommenden Letzte Instanz – Album Morgenland die Worte abdrucken, die Holly Loose selbst dazu nutzte. Denn wir finden, dass niemand die Gedanken zur Children, der Vorabauskopplung, besser auf den Punkt bringen kann wie der Frontmann selbst. Dankeschön, Holly.

Mein Name ist Holly Loose. Ich bin Künstler und Vater. Als Vater habe ich die Pflicht, meine Kinder zu schützen, soweit es in meiner Macht steht. Als Künstler habe ich die Pflicht, unter anderem dafür einzustehen, dass es, zum Beispiel aufgrund eines Krieges, niemals dazu kommt, meine und deine Kinder nicht mehr schützen zu können.

Eines lauen Sommerabends saß ich in einem beschaulichen Stadtteil von Berlin an meinem Rechner und flanierte ziellos durchs Internet. Ich stieß von einem Post zum nächsten und plötzlich tat sich ein Youtube-Video vor mir auf, dessen Bilderinhalt das Schicksal der Kinder Aleppos beklagte und dessen Audiospur ein tragisch anmutendes, sanft beginnendes und sich immer mehr zum Rocksong entwickelndes Lied trug, welches in den Strophen auf Englisch und in den Refrains auf Arabisch vorgetragen war. Das Zusammenspiel zwischen Bildmaterial, Sprache und Musik war so gewaltig, dass es mir die Tränen in die Augen trieb. Ich kam nicht umhin, mich mit dieser Band näher zu befassen und staunte nicht schlecht. Orphaned Land kannte ich noch aus meiner Zeit in Istanbul. Das Lied beschäftigte mich noch ein paar Tage. Ich fasste mir ein Herz und schrieb Kobi Farhi // קובי פרחי, den Sänger dieser israelischen Band, einfach an, erzählte ihm, dass ich Vater zweier Kinder sei und mich dieses Lied zu tiefst berührte. Ich bat ihn darum, dieses Lied als Cover auf das neue Album meiner Band „Letzte Instanz“ in deutscher Sprache neu veröffentlichen zu dürfen. Es dauerte keine zwei Minuten und Kobi schrieb zurück, bedankte sich auf’s Herzlichste für mein Interesse an diesem Lied und mein damit verbundenes Anliegen.

Etwa zeitgleich hörte ich zufällig von einer Geschichte, die mich ebenfalls sehr berührte. Ein Mann namens Jan Jessen erschuf aus Spenden und eigenen Mitteln zusammen mit anderen engagierten Leuten aus Nordrhein-Westfalen ein Flüchtlingsdorf direkt im Nordirak. Was quasi als „Container-Sammelstelle“ begann, mauserte sich mehr und mehr zu einem kleinen Dorf mit einer gewissen Infrastruktur. Sogar eine Schule sollte es bald geben. Das imponierte mir. Auch Jan schrieb ich an, um zu erfahren, ob wir ihm als Band nicht irgendwie helfen könnten. Es dauerte auch hier weniger als eine halbe Stunde und wir kamen über Facebook ins Gespräch. Er erzählte mir von vielen sehr traurigen Dingen: Von Vätern, die ihre Kinder im Arm hielten, obwohl diese schon lange tot waren. Von Kindern, die ihre Eltern verloren hatten. Doch er erzählte mir auch von den Mädchen im Dorf, die jetzt sogar eine eigene Fußballmannschaft gegründet hatten, er erzählte mir von vielen positiven Dingen, die sich entwickelten, aber auch von Notwendigkeiten, die noch zu leisten seien. Zum Beispiel – das blieb mir besonders im Gedächtnis – fehlte es an Schulmaterial.

Unabhängig von diesen beiden Begebenheiten sitzen wir von „Letzte Instanz“ seit Januar diesen Jahres an einem neuen Album, welches nun schon fertig produziert, aufgenommen und gemixt ist, sitzen in den Startlöchern und warten auf den 16.02.2018, um endlich unser neues Baby in den Händen halten und der Welt zeigen zu können. Es ist unser 13. Album und heißt „Morgenland“. Dieser Titel trägt zwei Bedeutungen in sich. Zum einen natürlich das Morgenland, welches für uns Europäer seit je her so heißt, weil dort, im Osten, die Sonne und mit jedem Morgen ein neuer Tag aufgeht – für uns im Frieden. Wir kennen dieses Morgenland ja auch aus den „Geschichten aus 1001 Nacht“. Doch dieser Titel hat für uns noch eine andere, wichtigere Bedeutung: Das Morgenland als tatsächliches Land von Morgen, welches ein schönes, friedliches Land sein kann, wenn wir heute schon die Weichen für den Weg in eben dieses Morgenland stellen.

Ich erzählte meinen Bandkollegen von meinen beiden neuen Bekanntschaften, erzählte von der Möglichkeit, dieses Lied von Orphaned Land, obwohl es total unüblich ist, auf unserem Album noch einmal in deutscher Sprache zu veröffentlichen und bat sie um ihre Meinungen. Alle erwiderten ohne den Hauch eines Widerstandes oder Unwollens, dass wir dieses Lied unbedingt auf unser Album nehmen müssten, da ja schon der Albumtitel dies verlangte. Als zweites erzählte ich von Jan Jessen und seinem Flüchtlingsdorf. Sofort kristallisierte sich eine Idee heraus, die zwangsläufig geboren werden musste, nämlich das Lied von Orphaned Land mit dem Flüchtlingsdorf im Nordirak zu verbinden. 

Ich rief Jan erneut an, fragte ihn, wann er wieder in den Nordirak fliegen und ob er mich mitnehmen würde, damit ich mir einen Eindruck von der Situation und mehrere Bilder für ein Video zu diesem Lied machen könnte. Der Termin stand schneller als ich erwarten durfte. Ich fing an, mir ein paar Brocken Arabisch anzueignen, um gewappnet zu sein, und besorgte Stifte und Papier, welches ich für die Schule im Dorf mitnehmen wollte. Drei Tage vor Abflug wurde die Reise gecancelt, weil der Krieg um Mossul wieder aufflammte und eine Reise dorthin unmöglich war. Meine Frau war – zu Recht – ziemlich erleichtert. Jan versprach mir, aus seinem Bilder- und Filmfundus eine Auswahl zukommen zu lassen, damit wir das Video fertigstellen und so auch einen kleinen Teil leisten konnten. Nämlich der Pflicht gerecht zu werden, als Künstler aufzuzeigen, dass Krieg die scheißeste Scheiße aller Scheißen ist.

Nun haben wir dieses Video veröffentlicht. Es ist ein Gesamtwerk aus den Ideen mehrerer Künstler, Väter und Menschen. Ich danke allen von Herzen dafür, dass dieses Projekt realisiert werden konnte!

PS: Ich bitte dich nun darum, die Facebookseite der Caritasflüchtlingshilfe Essen e.V. (@fluechtlingshilfe.essen) oder direkt die Homepage des Dorfes: http://fluechtlingsdorf-ruhrgebiet.de/ zu besuchen, dich noch einmal selbst über das Projekt im Nordirak zu informieren und auf dem Spendenkonto der Organisation ein paar Euro zu hinterlassen, damit Schulmaterialien, und alles weitere Fehlende besorgt werden können.

Ich danke dir im Namen der Bands „Letzte Instanz“, „Orphaned Land“ und des Flüchtlingsdorfes NRW.

Holly Loose

(Quelle: www.facebook.com/letzteinstanz/videos/2020057518011448)

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