Live Review: Eisbrecher / 08.10.2017 / Berlin

Du willst es doch auch, was hält Dich noch auf, wer kann schon widersteh’n, wenn wir auf Sturmfahrt geh’n?“

Niemand kann da widerstehen! Und das bewiesen am vergangenen Sonntag auch etliche Berliner und Zugereiste, als der Eisbrecher auf seiner Sturmfahrt quer durch die Lande auch in der Hauptstadt Halt machte. Einige Tage zuvor wurde dieses eisig-heiße Event ja schon indirekt von Sturmtief Xavier angekündigt – die Hauptstädter waren also schon perfekt auf eisigen Sturm und Abriss eingestimmt.

Pünktlich um 18.30 Uhr öffneten sich die Tore zur Columbia-Halle und hunderte Besucher – die Alten, die Jungen, die Heißen, die Kalten – strömten hinein und enterten sogleich die besten Plätze direkt vor der Bühne und auf der Empore, während andere erst noch am Merch-Stand und der Bar Halt machten. Mit einem kühlen Getränk in der Hand, einem Pläuschen mit Gleichgesinnten und beim Shopping von neuem Merch verging die Wartezeit bis zum Beginn gleich viel schneller.

Nachdem die Techniker ihre letzten Arbeiten an Bühnenbild, Ton und Licht erledigt hatten, betrat um 20 Uhr der Kapitän höchstpersönlich die Bühne. Gekonnt und mit gewohntem Witz und Charme sorgte Alexx Wesselsky für angeheizte Stimmung. „Ihr seid alle für Unzucht hier, stimmt’s?“ fragte er das Publikum, welches erst noch recht verhalten reagierte. „Ihr müsst schon alle Ja sagen. Also wenn ich frage, ob ihr alle für Unzucht hier seid, müsst ihr mit ‚alle‘ antworten, klar? Also: Seid ihr alle für die Unzucht da?“ und das Publikum antwortete mit einem lauten und einheitlichen „Alle!“. So wünschte der eiskalte Kapitän den anwesenden viel Spaß mit der folgenden Band und überlies die Planken den Herren von der Unzucht.

Dunkelheit hüllte die Halle ein, nur ein leichter Schimmer erhellte das Banner, auf dem groß und breit UNZUCHT prangte und mystische Klänge ertönten. Einer nach dem anderen enterten Drummer Toby Fuhrmann, Bassist Alex Blaschke, Gitarrist Daniel De Clercq und schließlich Frontmann und Sänger Daniel Schulz die Bühne und sogleich schmetterten sie dem bereits jetzt ausgelassenen Publikum Der Dunkle See entgegen. Nach einer kurzen aber herzlichen Begrüßung durch den breit grinsenden Schulz folgte der Titelsong zu ihrer aktuellen Live-Veröffentlichung (hier ein Review zur Live-Aufnahme aus Hamburg) Widerstand. Beim folgenden Song war die Bühne in ein sattes Rot getaucht und die Klänge wurden etwas dramatischer und melancholischer, als sich Lava über die Fans ergoss. Im Anschluss konnte zu Unzucht wieder ausgiebig mitgefeiert und mitgesungen werden, was das Publikum auch lautstark machte, schließlich ist dieser Song der ersten Stunde wie eine Hymne auf die Band. Die Stimmung war am Kochen und wurde dank den folgenden Tracks Deine Zeit Läuft Ab und Neuntöter auch nicht schlechter.

Für den nächsten Song wandte sich Der Schulz mit persönlichen Worten an das Publikum: „Das ist für alle Freunde, die viel zu früh von uns gegangen sind.“. Kenner des Liedes fummelten schnell noch nach Taschentüchern, während die ersten Töne von Nur Die Ewigkeit erklangen. Ein Meer von Händen zeigte sich in der Halle und alle winkten rhythmisch mit zu dem wohl emotionalsten Unzucht-Titel bislang.

Energiegeladen und brachial wurden etwaige Tränen doch sogleich wieder getrocknet mit dem Anschluss-Titel Ein Wort Fliegt Wie Ein Stein. Mit dem Engel Der Vernichtung schloss die freundliche Unzucht von Nebenan schließlich ihr kurzes aber knackiges Set ab. Ein diskreter Verweis auf die noch in diesem Jahr kommende Headliner-Tour und ein hoffentlich baldiges Wiedersehen mit allen Anwesenden – wenn auch nur später am Merch-Stand, ein schnelles Abschluss-Foto und vorbei war der unzüchtige Spaß auch schon wieder.

Doch schon nach einer relativ kurzen Umbaupause, in der das imposante Schiffs-Bühnenbild aufgebaut wurde, verhüllten die Techniker die Sicht mit einem riesigen Banner – ein verdrießlich drein blickender Eisbär mit weit aufgerissenem Maul vor gekreuzten Spitzhacken starrte den Fans entgegen. Meeresrauschen war zu vernehmen, ein Nebelhorn erklang und Suchscheinwerfer erhellten die in Dunkelheit getauchte Halle. Die Spannung und Vorfreude war förmlich greifbar und schließlich, mit einem Knall und begleitet von Strobo-Licht und donnernden Drums, fiel der schwere Vorhang und die Besatzung des Eisbrechers schmetterte dem tobenden Publikum direkt den Titelsong des aktuellen und gleichnamigen Albums Sturmfahrt entgegen. Hoch oben in der Mitte der Bühne thronte Achim Färber hinter seinem Drum-Set. An seiner Backbord-Seite (für alle Nicht-Seefahrer: das ist links 😉 ) rockte Rupert Keplinger am Bass. Flankiert von Jürgen Plangger und Sound-Wunder Noel Pix an den Gitarren stand er da, der Kapitän, Alexx Wesselsky. Wie seine Kollegen in chice dunkle Marineuniformen gekleidet, griff er zum Mikro und performte wie immer souverän. Direkt im Anschluss hießen Eisbrecher die Berliner Willkommen Im Nichts. Erst jetzt folgte eine erneute Begrüßung seitens Alexx an das Publikum, bevor es energiegeladen und brachial mit Das Gesetz weiterging.

Jetzt kommt der Moment, wo es Zeit wird einmal Danke zu sagen, denn Alexx ist einer der wenigen Musiker, der während eines Konzertes auf die Arbeit der Fotografen unten im Graben aufmerksam macht und sich bei diesen für eben jene Arbeit bedankt – dafür ein dickes Dankeschön zurück 😉 !!!

Nachdem die Fotografen den Graben verlassen hatten, gab es für das Publikum die Möglichkeit einige Posen zu fotografieren, die sich die Herren von Eisbrecher eigens dafür ausgedacht hatten. Und dann war Schluss mit der Technik – weg mit den Handys und Konzert genießen war angesagt! Zunächst wurde es mit Automat einen Tick ruhiger, bevor zu Fehler Machen Leute wieder ausgiebig abgerockt werden konnte. Ein besonders breites Grinsen zauberten mir hierbei zwei Kids auf die Lippen, die auf der Empore abgingen als gäb’s kein Morgen 😀 . Für das Ideal Cover von Eisbär zogen sich die Herren sogar extra um und standen in schneeweißen Jacketts auf der Bühne.

Beim nächsten Song wurde dann kräftig die Trommel geschlagen – Amok stand an und wie immer, wenn dieser Song performt wird, standen die 4 Tonnen, auf die rhythmisch eingeschlagen wird, auf der Bühne. Auch beim Folge-Song So Oder So konnte das Berliner Publikum wieder ausgiebig mitrocken. Mit Die Engel wurde es erneut etwas ruhiger, nur um im Anschluss mit Prototyp und Himmel, Arsch Und Zwirn wieder voll aufzudrehen. Eine weitere Verschnaufpause gab es bei Wo Geht Der Teufel Hin. Und wo wir eben bei Schnee waren: als die Eiszeit in der Columbia-Halle ausbrach, hüllten sich die Herren nicht nur einfach so in ihre Schneeanzüge, denn auf der Bühne fing es plötzlich kräftig an zu schneien.

Mit den drei folgenden Songs wollten Eisbrecher ihre Fans in der Columbia-Halle dann wohl so richtig auspowern, denn Zeit zum Verschnaufen gab es mit 1000 Narben, dem Brett Was Ist Hier Los? und dem Song, der bei keinem ordentlichen Eisbrecher Set fehlen darf, This Is Deutsch nämlich keine. Die Berliner bewiesen einmal mehr, dass sie äußert Text-sicher sind und wider der landläufigen Meinung hier ein steifes Publikum vor sich zu haben, wurde ausgiebig getanzt. Die Halle rasteten sogar komplett aus. Alle – und ich meine alle, selbst die Fotografen, die Sanitäter und das Bar-Personal – sangen, sprangen, feierten und hatten einfach eine geniale Zeit. Kein Wunder also, dass niemand glauben wollte, dass es das schon gewesen sein sollte. Die Rufe nach einer Zugabe erklangen sofort nachdem die Jungs die Bühne verlassen hatten und wurden, unterstützt durch die Licht-Technik, immer lauter.

Und auch erhört, denn nach nur wenigen Minuten kamen die Herren zurück… mit Verrückt, einem super-kraftvollen Drum-Solo von Achim und dem Dauerbrenner Miststück schlossen sie dabei an das vorangegangene „in die Fresse“-Trio an. Für die letzte Zugabe, zu der sich die eiskalten Mannen auch dieses Mal wieder nicht lange bitten lassen mussten, und somit den Abschluss dieses verrückten und alles andere als kalten Abend wurde es mit In Einem Boot noch einmal ruhig. 

Alles in Allem war dies wieder einmal ein grandioses Eisbrecher Konzert. Die Jungs wissen einfach, wie sie ihre Fans begeistern können: ein Mix aus alten und neuen Songs, aus ruhigen und „voll auf die Zwölf“-Titeln – das macht einen Eisbrecher-Gig aus und genau das bekamen die Berliner Fans an diesem Abend in der Columbia-Halle geboten. Mit Unzucht haben Eisbrecher sich dabei einen Support dazu geholt, der diesen Drive genau versteht und ebenfalls so gut beherrscht. Insgesamt also ein absolut perfekter Abend, der immer wieder gern und jederzeit wiederholt werden kann und soll 😉 …

Setlist Unzucht: Der dunkle See / Widerstand / Lava / Unzucht / Deine Zeit läuft ab / Neuntöter / Nur die Ewigkeit / Ein Wort fliegt wie win Stein / Engel der Vernichtung

Setlist Eisbrecher: Sturmfahrt / Willkommen im Nichts / Das Gesetz / Automat / Fehler machen Leute / Eisbär (Ideal Cover) / Amok / So oder So / Die Engel / Prototyp / Himmel, Arsch und Zwirn / Wo geht der Teufel hin / Eiszeit / 1000 Narben / Was ist hier los? / This is Deutsch / Verrückt / Miststück / In einem Boot

Text + Photos: Steph Lensky 

Tagged , .Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Kommentare sind geschlossen.