Live Review: Gothic Meets Klassik 2017 / Leipzig

Das Gothic Meets Klassik ist mittlerweile fester Bestandteil deutscher Gothic-Festivals geworden. Doch es ist nicht einfach nur ein weiteres Festival, bei dem diverse Bands ihre üblichen Shows abliefern. Nein, es ist etwas ganz Besonderes! Nebst dem normalen Festival-Tag, an dem die teilnehmenden Bands und Künstler – in diesem Jahr, zur 6. Ausgabe waren dies Oomph!, Letzte Instanz, Stahlmann, Tanzwut und The Beauty Of Gemina – ihr reguläres Programm spielen, wird am Klassik-Tag durch komplettes Neu-Arrangement ausgewählter Stücke und vor allem aber die Begleitung dieser durch ein komplettes Symphonie-Orchester ein ganz besonderes und einzigartiges Ambiente erzeugt.

Bisher standen schon Szene-Größen wie Blutengel, Subway to Sally, Mono Inc., Anne Clark und Peter Heppner – um nur einige zu nennen – auf den Bühnen im Haus Aurensee und im Gewandhaus zu Leipzig. In diesem Jahr war es an StahlmannLetzte Instanz und Oomph! mit dem Symphonie-Orchester Filharmonia Zielonogórska zu spielen und das Publikum zu begeistern.

Schauen wir also nun gemeinsam zurück auf diesen besonderen Abend.

Es war bereits dunkel, als sich rund um das hell erleuchtete Gewandhaus zu Leipzig fast ausschließlich schwarz gekleidete Menschen für diesen nicht alltäglichen Abend versammelten. Nach und nach strömten sie in den pompösen Saal und suchten ihre Plätze auf. Unruhiges Stimmengewirr erfüllte den Raum, während die Spannung auf den Abend immer weiter stieg. Die ersten Musiker des Orchesters betraten die Bühne und sofort stellte sich eine andächtige Ruhe im Gewandhaus ein. Der Dirigent verbeugte sich vor dem Publikum und nahm seinen Platz vor dem Orchester ein. Alle Augen waren nun erwartungsvoll auf die Bühne gerichtet.

Die große Ehre der Eröffnung des Klassik-Abends wurde in diesem Jahr Stahlmann zuteil. Unter Applaus betrat Martin Soer, Frontmann und Mastermind, die Orchester-Bühne. Er war allein, dem Anlass angemessen und stilsicher in einen schwarzen Anzug gekleidet. Mart wirkte beim Gang vor das Publikum selbstsicher wie immer, doch Kenner vermochten ein ungewohntes Maß an Aufregung unter der Oberfläche zu spüren. Ein Zeichen dafür, dass dieser Abend auch für einen Stahlmann etwas ganz Besonderes sein musste.

Endlich ertönten die ersten Klänge des Abends – mit Nichts spricht wahre Liebe frei, einem aktuelleren Song des letzten Albums Bastard, hatte Mart eine vortreffliche Wahl für den Auftakt getroffen. Das Publikum lauschte gebannt und auf einigen Gesichtern glaubte man ein fast schon seliges Lächeln zu erkennen. Marts einzigartige und unverwechselbare Reibeisen-Stimme ergab einen wunderbaren Kontrast zu den klassischen Klängen des Orchesters. Nachdem das erste Stück auch schon wieder viel zu schnell zu Ende ging, folgte eine kurze Begrüßung und Ansprache, in der Mart offen und dankbar aussprach, wie viel Bedeutung dieser Abend für ihn persönlich hat, weil sich damit ein großer Traum seiner musikalischen Karriere erfüllte. 

Bei den ersten Klängen von Schwarz und Weiß war schnell klar, dass sich Stahlmann hier eher ungewohnt leise und auf bisher nie da gewesene Art und Weise präsentieren werden. Dass Mart ein Meister auf diesem Gebiet sein kann, hat er in der Vergangenheit bereits mit diversen Kompositionen seines Zweitprojekts Sündenklang bewiesen. Und so folgten noch drei weitere fast schon epische Songs – darunter das bereits etwas ältere Stück Mein Flehen, offenbar ein ganz besonderer Herzenssong von Mart, Die Klinge, sowie der beliebte Klassiker Der Engel der Dunkelheit – die dem Publikum einen Gänsehaut-Moment nach dem nächsten bescherten. 

Auch Mart schien seinen Auftritt in vollen Zügen zu genießen. Nach jedem Song legte er eine kurze Pause ein, lies den Applaus auf sich wirken und schien die außergewöhnliche Atmosphäre dieses Abends geradezu in sich aufzusaugen. Nach leider nur fünf, dafür aber perfekt ausgewählten Stücken war das Stahlmann Set dann – für meinen persönlichen Geschmack auch schon viel zu früh – zu Ende. Für einen kurzen Moment war man fast ein wenig enttäuscht, dass kein rockiger Song in klassischem Gewand dabei war, doch schon im nächsten Augenblick empfand man Dankbarkeit für die vielen wunderschönen Momente der letzten knappen halben Stunde. Für gut 25 Minuten gab es nur Mart, das Orchester und das Publikum. Sichtlich bewegt von diesem Erlebnis verabschiedete sich Mart unter reichlich Applaus vom Publikum und gab die Bühne für die Letzte Instanz frei. 

Nach einer kurzen Pause kehrte der Dirigent unter Applaus wieder zurück, verbeugte sich erneut vor dem Publikum und wandte sich seinen Musiker-Kollegen im Orchester zu. Gespannt wartete das Publikum auf den Beginn der nächsten klassischen Darbietung. Nach und nach betraten die Bandmitglieder der Letzten InstanzBenni Cellini am Cello, M.Stolz an der Violine, Bernie Geef an der Gitarre, Michael Ende am Bass und Andy Horst an den Drums – dem Anlass entsprechend in weiße Hemden und Anzug-Westen gekleidet und begleitet von Applaus die Bühne. Und dann… erstmal nichts. Technische Probleme verursachten eine ungewollte Verzögerung, die aber von allen Beteiligten mit Humor genommen wurde. 

Schließlich konnte es endlich losgehen und Holly Loose gesellte sich unter Applaus zu seinen Kollegen, die bereits zu spielen begannen – durch den Einsatz vom Schlagzeug, E-Gitarre und E-Bass war der Sound deutlich rockiger als erwartet. Mit einem langen instrumentalen Intro kündigte sich Regenbogen an. Als Holly zu singen begann, wurde seine tiefe Stimme förmlich durch die klassischen Töne getragen und harmonierte wunderbar mit der Musik. Kein Wunder, haben die mit fast 20 Jahren brachialromantischer Bandgeschichte „alten Hasen“ doch bereits Erfahrungen mit der Klassik gemacht, beispielsweise während ihrer „Brachial Leise“ Kirchen-Tour 2015.

Umso trauriger ist es, dass beim nachfolgenden Song Blutmond – und auch bei weiteren Liedern des Sets, wie beispielsweise dem vorletzten Titel Steh Auf – dazu aufgefordert wurde mitzuklatschen und mitzusingen. Meiner Meinung nach sollte es bei dieser Veranstaltung doch darum gehen, die Titel im klassischen Gewand und eben einfach mal ganz anders zu erleben. Durch lautes Mitsingen oder einfaches Aufstehen und Tanzen mancher Gäste im Publikum fiel es zum Teil sehr schwer sich auf die Künstler zu konzentrieren oder sie gar zu sehen. Auch gegenüber dem Orchester nicht gerade die feine englische Art, auch wenn dieses trotzdem sichtlich Spaß daran hatte. 

Für die beiden folgenden Songs – Der Kuss und Der Garten – kündigte Holly eine Kollegin und mittlerweile gute Freundin der Band an, die gemeinsam mit ihm singen würde: Johanna Krins, die nicht nur die Band Delva mit gründete, sondern seit kurzem auch in der Band Bannkreis tätig ist. Mit ihrem Zutun wurde die Gänsehaut-Stimmung wieder ein wenig greifbarer, auch wenn sie sich nicht mehr so richtig einstellen wollte. 

Bevor auch dieser Auftritt nach nur wenigen Liedern zu Ende gehen sollte, wandte sich Holly mit einer kurzen Ansprache an das Publikum, in der er auf ein Statement gegen Fremdenhass Bezug nahm, welches er am Vorabend wohl kundgetan hatte. Er stellte klar „es ist kein politisches Statement, sondern eine menschliche Haltung“ und erntete dafür verdienten Applaus. Mit den Worten „man stelle sich vor nicht hier zu sein, sondern auf irgendeinem Schlachtfeld, ohne Vater, ohne Mutter, ohne Kinder“ leitete er dann zum finalen Song Wir sind allein über, bei dem er erneut gesanglich von Johanna unterstützt wurde. Schließlich wurde auch die Letzte Instanz vom Publikum mit reichlich Applaus verabschiedet und zurück bliebt nur der Ohrwurm im Kopf und die ca. halbstündige Pause, bevor es mit Oomph! weitergehen sollte. 

In besagter Pause bestand die Möglichkeit sich kurz die Beine zu vertreten, ein Kaltgetränk zu genießen oder am zugegebener Maßen sehr kleinen und versteckten Merch-Stand zu shoppen. Aufmerksam gemacht durch die Musiker des Orchesters, die ihre Instrumente für den nächsten Act Oomph! – Headliner und somit Abschluss des klassischen Abends – stimmten, versammelte sich das Publikum wieder im Saal des Gewandhauses

Zügig wurden die Plätze eingenommen und die andächtige Stille des Beginns stellte sich erneut ein. Wieder trat der Dirigent vor das Publikum, verbeugte sich und nahm seinen Platz ein. Nach und Nach betraten die Mitglieder von Oomph! die Bühne – Crap und Flux an den Gitarren, Silvestri an den Drums, Hagen am Bass, Felix und Okusa dieses Mal als Background-Sänger. Als Frontmann Dero schließlich ebenfalls die Bühne betrat applaudierte das Publikum in freudiger Erwartung auf das kommende Set.

Oomph! begannen mit dem Klassiker Das weiße Licht, welcher im Anschluss durch Träumst Du?, ein Song des Albums GlaubeLiebeTod aus dem Jahr 2006, abgelöst wurde. Auch hier war der Sound, in den sich Dero’s Stimme wunderbar einfügte, durch das mitgebrachte Schlagzeug und die E-Instrumente deutlich rockiger, als ich es erwartet hatte.

Leider muss ich sagen, dass sich bei ihrem Auftritt, insbesondere bei den Songs Gott ist ein Popstar, Sandmann und Augen Auf – allesamt Klassiker der Rock-Shows von Oomph! – wiederholte, was bei Letzte Instanz schon irgendwie störte: durch Animation durch die Band konnte das Publikum sich auch hier nicht zurück halten was Mitsingen, Klatschen und Tanzen anbelangte. Wirklich sehr schade, da so sehr viel von der tollen Gänsehaut-Stimmung, wie sie beispielsweise bei Auf Kurs und ansatzweise auch bei Alles aus Liebe aufkam, verloren ging und die klassische Darbietung des Orchesters so in den Hintergrund rückte. Zum Glück wurde zum Ende hin noch einmal Auf Kurs gespielt, so dass dieser Abend, der bei Stahlmann mit Gänsehaut begann, auch mit einer enden konnte.

Wenn auch etwas wehmütig, dass dieser Abend vielleicht nicht unbedingt so verlaufen war, wie es sich der ein oder andere gewünscht hätte, wurden schließlich alle Teilnehmer und Beteiligten des Gothic Meets Klassik 2017 – Stahlmann, Letzte Instanz, Johanna Krins, Oomph! – und natürlich besonders das Orchester Filharmonia Zielonogórska – vom Publikum mit Minuten-langen stehenden Ovationen und reichlich Applaus verabschiedet. Insgesamt – trotz der zum Teil fehlenden Gänsehaut-Momente – ein absolut sehens-, hörens- und erlebenswerter Abend im Gewandhaus zu Leipzig, der sicher allen Beteiligten noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Mit der Hoffnung wieder zu den epischen Abenden wie 2012 mit Blutengel oder 2013 mit Lord of the Lost zurückzukehren, freuen wir uns schon auf das nächste Mal! 

Denn bekanntermaßen ist nach dem Festival vor dem Festival! Für das 7. Gothic Meets Klassik Festival 2018 wurden bereits zwei vielversprechende Acts angekündigt. Die Zuschauer dürfen sich im nächsten Jahr sowohl auf rockige, aber vor allem auch auf klassische Klänge von Joachim Witt und Diary of Dreams freuen. Termin ist der 06.10.2018 für den Festival-Tag im Haus Aurensee und der 07.10.2018 für den Klassik-Tag im Gewandhaus zu Leipzig. Tickets gibt es bereits jetzt schon auf www.mawi-concert.de oder Eventim käuflich zu erwerben. Schnell sein lohnt sich! 

Setlist Stahlmann: Nichts spricht wahre Liebe frei / Schwarz und Weiß / Mein Flehen / Die Klinge / Engel der Dunkelheit 

Setlist Letzte Instanz: Regenbogen / Blutmond / Der Kuss* / Der Garten* / Steh Auf / Wir sind Allein* 
feat. Johanna Krins

Setlist Oomph!: Das weiße Licht / Träumst Du? / Gott ist ein Popstar / Auf Kurs / Alles aus Liebe / Sandmann / Augen Auf / [Encore] / Auf Kurs

Text: Steph Lensky
Photos: Helge Roewer (hr-pictures)

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