Festival Review: Wacken Winter Nights 2019 / Wacken

“Wir liefen weit, nun lassen wir den Winter ziehen.” (Faun Alba II)

Ein Blick aus dem von Regentropfen übersäten Fenster lässt einen fast nicht glauben, wie es noch vor wenigen Wochen im Norden ausgesehen hat. Bei frühlingshaften Temperaturen und strahlendem Sonnenschein hatte sich schließlich schon so mancher Besucher der Wacken Winter Nights 2019 von dicken Jacken und kalt-nassem Wetter verabschiedet. Auch ist nicht unbemerkt geblieben, dass der Ableger des Heavy-Metal-Mekkas seit 2017 seinen Kinderschuhen entwachsen ist und seinen festen Platz zur Einleitung der Festivalsaison redlich verdient hat.

Wer bereits 2017 bei den ersten Wacken Winter Nights zugegen war hat sicher bemerkt, dass sich auf dem Gelände so einiges getan hat. Wo vor 3 Jahren noch eine Open-Air-Bühne im Schnee als Ice Palace diente, gab es in diesem Jahr “nur” noch das Theatre of Grace in der umfunktionierten Scheune. Das Festivalgelände selbst wurde um
einige Quadratmeter Koppel erweitert und so thronte in diesem Jahr am Ende des Waldwegs ein beheiztes Zelt, welches dem einen oder anderen vom Plage Noire bekannt vorgekommen sein könnte. Doch auch abseits der beiden Hauptbühnen gab es Einiges zu bestaunen und genießen. In den Mystic Woods gaben nicht nur Feuerkünstler und Händler ihre Künste und Waren zum Besten, auch Bands wie MacCabe & Kanaka, The Dread Crew of Oddwood oder Comes Vagantes und die Pressgeng spielten hier im Laufe des Wochenendes immer wieder Akustiksets.

ORGANISATION

Gerade im organisatorischen Bereich merkt man im Großen und Ganzen, dass mit den Veranstaltern des größten Metal-Festivals der Welt echte Profis am Werk waren. Reibungsloser Ablauf an der Bändchenausgabe und Einlass, gepflegte Sanitärbereiche und besonders die Verbesserung der häufigsten Kritikpunkte der vorangegangenen Jahre seien hier nur einige Beispiele. Negativ aufgefallen ist in diesem Jahr leider die Position des Merchandise-Standes, welcher im hinteren Bereich des Theatre of Grace aufgebaut wurde. Sobald sich das Publikum vor der Bühne versammelt hatte, spätestens aber nachdem die Halle aus Sicherheitsgründen mit Metallgittern abgesperrt wurde gab es kaum noch ein Durchkommen – ärgerlich vor allem bei den Bands, welche inklusive Merch noch am selben Tag abreisten. Auch die extra angekündigten Signierstunden waren – wenn überhaupt – nur dürftig ausgeschildert, einzig am Signiertisch selbst (welcher sich übrigens direkt neben dem häufig schwer zu erreichenden Merch-Stand befand) waren die Zeiten für die Meet & Greets aufgelistet. Ebenso wie auch in den letzten Jahren gab es auch 2019 keine große Beschilderung im Ort selbst – für alle, die vorher bei Battle Merchant oder im örtlichen Supermarkt einkaufen wollten war es dann doch eher ein Glücksspiel den kürzesten Weg zum Gelände zu finden.

BANDS

Auch wenn die Wacken Winter Nights seit Beginn immer schon eher folk-lastig waren, stand besonders der Freitag im Zeichen des Pagan Metals in all seinen Facetten. Für alle, die es eher düster mögen, waren sicher Arkona im Ice Palace eines der größten Highlights des Festivals – die russische Band um Sängerin Mascha waren wie immer optisch wie akustisch ein Hochgenuss.

Eher dramatisch ging es bei Skiltron im Theatre of Grace sowie Turisas im Ice Palace zu: beide Bands gaben ihren ganz persönlichen Battle Metal zum Besten. Eine Konzerterfahrung der besonderen Art konnte das Publikum bei der deutsch-dänischen Pagan-Folk-Band Heilung erleben. Neben Weihrauch und Bühnennebel ließen auch die Outfits sowie das Gesamtbild der Show alle in einen Rausch verfallen. Bekannt wurden Heilung vor allem durch ihr Konzept der “amplified history from early medieval northern Europe” (laut ihrer Facebook-Seite); ihre Texte beruhen auf Funden aus der Eisen- und Wikingerzeit.

Headliner des Theatre of Grace waren am Freitag Bannkreis. Getreu ihrem Namen zogen sie einen “Bannkreis” um das Theater, so wurde der Bereich kurz nach Beginn der Show bereits mit Gittern abgesperrt. Leider waren diese erst zu sehen, wenn man direkt vor ihnen stand und verwehrten somit einigen Gästen den Weg zum Merchandise. Insgesamt bot die Band um Subway To Sally – Sänger Eric Fish mit ihren eher sanft-verträumten Stücken ein Kontrastprogramm zu den anderen Bands des Tages.

Abschließend wurde der Ice Palace von Korpiklaani zum Beben gebracht. Wer die Finnen schon live erleben durfte weiß, dass ihre Konzerte eher einer großen Party gleichen. Es durfte also trotz sicher einiger “sprachlicher Barrieren” ausgelassen geheadbangt, getanzt und gefeiert werden – vor allem beim Gastauftritt des Skiltron -Gitarristen Emilio Souto beim Song Beer Beer.

Mit einer großen Party ging es auch am Samstag im Ice Palace weiter, als Vogelfrey die Bühne eroberten. Hier wurde erstmals deutlich auf eine Besonderheit der Wacken-Festivals (ob nun Sommer oder Winter) hingewiesen – am Rand der Bühnen wurden als Teil der Inklusionsprojekte der Wacken Foundation Texte und Musik der Bands von Gebärdensprachlerinnen in ein ganz eigenes Kunstwerk umgewandelt.

Vielen Gästen waren Moonsorrow, sicher ein Begriff, nicht zuletzt vom Hörnerfest 2018 auch in den nördlichen Gefilden (dazu hier ebenfalls ein Review meiner Wenigkeit). Diesmal ohne Staub, dafür stimmgewaltiger und energetischer als im letzten Sommer, zogen Moonsorrow, das Publikum in ihren Bann und sorgten für eine gehörige Portion Magie am Samstagabend.

Am Samstag gaben Eluveitie mit ihrer Show die Belohnung für das Ausharren im Ice Palace, vor allem die Soli der seit 2016 neuen Mitglieder an Gesang, Geige, Gitarre, Schlagzeug,…(also eigentlich… fast allen Instrumenten) gaben der Neubesetzung definitiv ihre Daseinsberechtigung und so flogen nicht nur auf, sondern im ganzen Ice Palace die Haare, Dreads und alles, was man beim Headbangen noch schütteln kann! Vor allem im Hinblick auf das am 5. April erscheinende Album Ategnatos und die dazugehörige Tour im Herbst/Winter 2019 haben Eluveitie ordentlich vorgeheizt. Apropos vorgeheizt: weiter ging es nebenan mit Grimner. Die Schweden sorgten für die angemessene Portion “Schlamm und Leder”, in und vor dem diesmal sogar genug Platz fürs Pogen, Headbangen, Tanzen oder einer gesunden Mischung aus allem war. Ob Songs über Riesen oder über Skyrim – das Publikum war bis zum Schluss voll dabei (ja, auch die zahlreich anwesenden Nerds)!

Überraschung des Abends waren Saltatio Mortis als Headliner des Ice Palace. Nachdem die Band in den letzten Jahren einige Stilwechsel durchlebte, welche nicht von allen Fans gut geheißen oder weiter verfolgt wurden – haben sie aber mit ihrem Auftritt bei den Wacken Winter Nights 2019 bewiesen, dass sie – obwohl nur ein älterer Song gespielt wurde – immer noch feiern und für grandiose Stimmung sorgen und auch die ehemalige Erste-Reihe-Fraktion (wenn auch nicht vollkommen aber doch) zu einem großen Teil wieder in ihren Bann ziehen können! Als krönender Abschluss wurde um Mitternacht von Band und Publikum ein lautes “Happy Birthday” für Drummer und Gitarristen Jean Méchant angestimmt.

Am Abschlusstag ging es irisch-folkig mit The O’Reillys and the Paddyhats im Ice Palace weiter. Die 2011 gegründete Band aus Gevelsberg brachte auch am dritten Festivaltag noch alle anwesenden zum Tanzen und Mitfeiern.  Neuentdeckungen des Festivals waren definitiv Cemican, die nicht nur Azteken-Folk-Metal aus Mexiko mitbrachten, sondern auch gleich auf der Bühne den “Flötenschlumpf” von Forgotten North in einer dramatisch aufgebauten Zeremonie “opferten”.

Im Ice Palace folgten daraufhin Feuerschwanz. Hier wurde nicht nur mit Miezen gefeiert oder Prinzessinnen verflucht, sondern auch dem Methämmer gehuldigt und ausgiebig Schubsetanz getanzt. Mit einer gelungenen Mischung aus älteren Songs und den neuesten Werken des Haufens um Hauptmann Feuerschwanz konnte die Mittelalter-Rock-Band aus Erlangen wieder einmal beweisen, dass sie zwar ein wenig Erwachsener aber keineswegs spießig geworden sind und eine Show mit diversen “Extras” wie tanzenden Kriegerinnen oder dem heiligen “Methämmer” bieten.

Für einen magisch-mystischen Abschluss des Festivals sorgten im Theatre of Grace die dänische Band Huldre, die mit diesem Auftritt auch ihr eigenes Abschlusskonzert in Deutschland spielte – die Band gab im Januar ihre Auflösung und Termine für Abschlusskonzerte in Dänemark bekannt.

Als letzte Band des Festivals ließen Faun nicht nur zum nahenden Frühling “den Winter ziehen”, sie feierten auch (zugegebenermaßen etwas verfrüht) die Walpurgisnacht und ließen die Festivalbesucher noch einmal mit den Satyren tanzen, bevor die Wacken Winter Nights 2019 ihre Tore schlossen.

FAZIT

Ob große oder kleine, alte oder junge Besucher – bei den Wacken Winter Nights 2019 war für alle etwas dabei, egal ob musikalisch, zum Anschauen, Bestaunen oder Mitmachen. Abgesehen von den anfangs erwähnten Kritikpunkten passte auch in diesem Jahr wieder alles im wahrscheinlich berühmtesten Kuh-Dorf Schleswig-Holsteins! Die Wacken Winter Nights machen definitiv Lust auf Mehr – mehr Konzerte, mehr Festivals und die bevorstehenden Alben der auftretenden Bands! Und das Beste kommt wie immer zum Schluss: das Event wird auch 2020 wieder stattfinden – merkt euch also das Wochenende vom 14.02.-16.02.2020 schon mal im Kalender vor!

 
Text: Flo Lerch
Photos: Holger Bär (Alldark-Foto)

22.02.2019 @ Wacken Winter Nights
23.02.2019 @ Wacken Winter Nights
24.02.2019 @ Wacken Winter Nights

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