Review bedeutet nicht nur ein Blick auf Kommendes zu werfen, sondern auch einen Blick auf Vergangenes. Somit heißt es heue also: „Zurück in die Zukunft VS. vorwärts in die Vergangenheit“! Noch schnell Schal, Mütze und warme Jacke gerichtet und schon kann es losgehen mit der Fahrt nach Achtzehnhundertforen mit Eisfabrik.
Once upon a time, in kalten Gebieten, machten es sich im Jahre 2016 3 Herren zur Aufgabe ein Electro/ Future Pop Album zu produzieren. Dies war jedoch nicht das erstes Mal, dass Dr. Schnee, Der Frost und Celsius sich ans Werk machten. Bereits im Vorjahr hatte das Trio gleich 2 Alben veröffentlicht. Dieses Mal werkelten Matteo Fabbiani (Hell Boulevard) & André Kalinna in der Erfolgsfabrik mit. Das dritte Kind im Bunde wurde auf den Namen Achtzehnhundertforen getauft und erblickte am 25. November 2016 das Licht der Welt.
Als Einstieg beginnt der eiskalte Silberling mit dem Song The Coldest Summer. Mystisch und klingend wie ein Vorbeiziehen an Gezeiten, Vergangenheit und Universum wirkt das Intro. Musikalisch werden, wie in den vorherigen Alben und im Nachfolge-Album (unsere Analyse dazu gibt es hier), ganz Eisfabrik–typische Synthie-Pop Klänge benutzt, welche im Zusammenspiel mit den Lyrics eine noch nie dargebotene Komposition an Ohrenschmaus in Richtung Future-Pop bieten. Musik und Songtext ergänzen sich perfekt.
Ein Beispiel dafür ist der Track Zu den Sternen. In diesem Song geht es darum, wieder in das Leben eines geliebten Menschen einzutreten, dessen Seele aus den Körper in eine andere Welt hinüber gegangen ist. Das mag jetzt alles ein wenig sehr esoterisch klingen, aber beschreibt dennoch gut den insgeheimen Wunsch von der besagten Seele irgendwann begleitet zu werden. Untermalend treibt die musikalische Unterstützung des Songs dazu bei, sich noch mehr in die Thematik hineinzuversetzen, um das besungene Gefühl des Vermissens nachzuempfinden. Es hört sich so an, als würde man sich selbst auf die Reise begeben in Richtung Sternengalaxie. Man möchte aus dem Hier und Jetzt verschwinden. Doch der Schmerz des Verlustes und all die dadurch ausgelösten Gefühle halten einen wie in Eis gefangen. Ein sehr emotionaler Song, den man rein vom Inhalt eigentlich einer Balladen zuordnen könnte, aber Eisfabrik schaffen es der Thematik „Tod“ und „Verlust“ einen anderen Blickwinkel zu geben. Denn irgendwann gibt es auch ein Wiedersehen. Doch bis dahin ist die Reise zu den Sternen noch ein weiter Weg, den man bewusste leben sollte.
Das englische Pendant dazu ist der Song It‘s Not The End. Hier geht es gewisser Maßen auch um eine Art Verlust, der sich aber dieses Mal auf das Ende einer Beziehung bezieht, aus der auch ein Sohn hervorgegangen zu sein scheint. Die verendete Beziehung des vormaligen Liebespaares bringt auch Vater und Sohn auseinander. It‘s Not Goodbye vermittelt wiederrum, dass eine räumlicher Entfernung keine emotionale Entfernung sein muss. Auch hierzu passt der theatralische Einspieler bestens zur Gefühlslage. Einerseits wird eine Traurigkeit übermittelt, aber auch die Hoffnung und Zuversicht auf ein Wiedersehen. So heißt es unter anderem „For sometime the sun will not shine in your life. Not illuminate the past“. Harte Zeiten werden auf einen zukommen und es wird auch nicht immer einfach sein, dennoch sollte man dadurch nie die Erinnerungen an die gute alte Zeit verlieren. Irgendwann gibt es ein Wiedersehen.
Abgeschlossen wird das Album mit Die Letzte Seefahrt. Quasi ein Gruß der Eisfabrikanten, die nun weiterziehen und vielerlei dafür zurücklassen müssen. Auf ihrer Fahrt auf dem kalten, klaren, ruhigen und blauen Wasser bemerken sie, dass ihre gestellten Versprechen vielleicht zu wage waren und sie diese so wie es aussieht nicht einhalten können. So wünscht man sich während dieses Stücks noch einmal seine Liebsten zu sehen und zu hören. Das Leben kann einen urplötzlich packen und lässt jedes Anzeichnen von Hoffnung mit dem nächsten Schicksalsschlag zerfallen. Die Botschaft liegt darin, dass man seine Wege mit Bedacht wählen soll, um nichts Essentielles zu verlieren – wie Familie oder Freunde – wenn man dem Trott des Alltags und dem Workaholic-Wahnsinn verfällt. Diese damit einhergehende Monotonie setzen Eisfabrik durch Sprechgesang und eine beinahe monotonen Melodie um, was keineswegs unpassend ist. Es harmoniert einfach wunderbar mit dem Songthema und übermittelt wiedermals ein perfektes Zusammenspiel von Musik, Text, Instrumenten und Musikern.
Die Eisfabrik-Männer haben mit diesem Album etwas auf die Beine aufgestellt, was für sie selbst in Zukunft nur schwer zu toppen sein wird. Es gehört zu meinen absoluten Lieblingsalben, da sich die Hamburger in diversen Liedern mit den Abschied, Verlust, Liebe und Sehnsucht befassen. Solch allgegenwärtige Dinge, die uns nahezu alltäglich beschäftigen, sind in wunderschöner Wortakrobatik verpackt. Eiskalt und ein nüchterner Blick auf die Dinge des Lebens machen Achtzehnhundertforen zu einem Individuum an Musikkompositionen, die in die Tiefe unseres sinnbildlich gemeinten Eises geht.
Tracklist: | 01. The Coldest Summer 02. A Murdered Love 03. Sensations Of Pain 04. Zu Den Sternen 05. Love Planet 69 06. Magical Winter 07. The Survival Of The Strongest Mind 08. It’s Not Goodbye 09. Millenium Find 10. Rainbow Child 11. Die Letzte Seefahrt |
Release: | 25. November 2016 |
Genre: | Electro-Pop |
Label: | NoCut Entertainment |
Anspieltipp: | Zu Den Sternen, It‘s Not Goodbye, Rainbow Child |
Homepage: | www.eismusik.de |
Text: Angy Bark