CD Review: Unzucht – „Akephalos“

Und da haut die Unzucht das nächste Brett raus! Der Nachfolger von Neuntöter nennt sich Akephalos. „Ake…“ was? Kurz zur Aufklärung: Akephalos ist ein kopfloser Dämon aus der alt-griechischen Mythologie, der nie zur Ruhe kommt und ohne Rast und Halt von einem zum anderem Platz sein Unwesen treibt. Hier schlägt sich die Brücke zur Unzucht, die sie charakterlich gut zusammenfasst. Folgendes kann sicherlich jeder treue Fan bestätigen: Die freundliche Unzucht von neben an bläst bei jedem ihrer Konzerte den Besuchern die Ohren / den Kopf von allen Negativitäten und die Seele von Ballast frei. Stets rastlos und auf der Suche nach ihren nächsten „Opfern“. Zum Thema kopflos muss man sagen, dass dies als Paradoxon zu verstehen ist. Denn Der Schulz (Vocals), De Clercq (Guitar), Blaschke (Bass) & Fuhrmann (Drums) sind die jenigen, die mit ihrer Musik auf die Jagd gehen und die Kopflosen versuchen zu bändigen und zu heilen. Und wer verfällt bei diesen Versuch nicht den knallhart ehrlichen Klängen der 4 Darkrocker aus Hannover?…. 
Unzucht erfüllen keine Genre-Typitäten, sondern finden da ihren Platz, wo Klischees die Vorurteile von gestern sind. Genau so ist auch ihr neues Album Akephalos aufgestellt, welches sich als 6. Studioalbum in ihre Diskografie einreiht. Erscheinen wird es am Freitag dem 27. Juli – da kann der Sommer ja starten. 😉

Den Start macht auf der neuen Platte der Song Projektil. Passend zum Namen des Tracks startet das Intro mit einem dynamischen und maschinengewehrartigen Gitarrensound. Ein wenig später wird das Ganze noch untermalt mit einsetzenden Drumschlägen (Toby, du Maschine! ?). Projektil steht symbolisch dafür, das eine Erkenntnis beziehungsweise eintreffende Wahrheit ein gnadenlos und hart treffendes Geschoss sein kann. Bei diesem Lied werden den Zuhörern fast 6,5 Minuten die Ohren durchgeballert.

Beim zweiten Track handelt es sich um das erst kürzlich als Singleauskopplung erschienene Stück Nela. „Dieses Licht in der Hand, wie ein Vogel im Wind, der aus tiefstem Nebel zu uns singt“, ist nur einer der stilistisch den Alternative-Rock auf den Punkt bringt. Hier verschiedener Stilen gemixt, ohne dabei den gewohnten dunkel und melancholischen Grundsockel zu verlassen. Ein bisschen Indie, ein bisschen Darkrock, ein bisschen Metal ergeben mit ihrer persönlichen Prise den gewohnten Unzucht-Sound in verschiedenen Facetten. Denn Einfältigkeit wird spätestens durch Nela widerlegt.

Danach folgt das Lied Der Tod in mir, jener besitzt ein eingängiges Intro. Und wer jetzt pauschalisiert und denkt, zu dem Titelnamen muss jetzt etwas musikalisch Ruhigeres oder gar Trauriges kommen, der irrt sich. Ich wiederhole mich gerne noch mal: Schubladendenken ist bei der Unzucht ein fataler Fehler. Musikalisch appelliert der Sound wach zu werden und zu zuhören. Drums, Gitarre & Bass, als auch die eindringliche Stimme von Daniel Schulz, ergeben wiedermal eine perfekte Symbiose. Der Songtext regt zum Nachdenken an und vor allem zum Riskieren. Getreu nach dem Motto ob man sich ernsthaft von Ängsten einengen lassen möchte oder ob man lieber den Tag und das Leben in voller Pracht genießen will. Sicherlich Letzteres.

Die verbotene Frucht reiht sich anschließend in das Gesamtwerk ein. Musikalisch gesehen ist es das Lied schlechthin, bei dem ich besonders Bassist Alex Blaschke hervorheben möchte. Er gibt durch die tragenden und tiefen Bassklänge die Tiefe wieder, in der der Song einzuordnen ist. Hierbei auch passend die Art und Weise wie „Schulle“ singt. Mahnend und warnend trifft es ganz gut. Im Chorus dann wieder mehr in erzählerischer Form, die sich inhaltlich und sinnbildlich auf eine biblische Geschichte bezieht (Evas Sünde im Paradies vom verbotenen Baum einen Apfel gegessen zu haben, zu der die Schlange sie überredete), ohne dabei die aktuellen Geschehnisse im Allgemeinen zu vergessen.

Ebenso befindet sich unter den 12 Tracks auch der titelgebenden Song Akephalos. Wie bereits eingangs gesagt, handelt es sich bei Akephalos um einen kopflosen Dämon, der sich von Ort zu Ort herumtreibt. Das symbolisierte „herumtreiben“ wird getragen von dröhnenden Bass- und Gitarrenklängen. Komplett gemacht wird dies durch schellenden Drumtritten und Schlägen. Alles zusammengenommen also die ideale musikalische Übersetzung von sinnbildlicher Metapher in eine Melodie. Thematisch steht ja außer Frage, wovon der Song handelt … „Uuups, Kopf weg!“ ?

Was beim Neuntöter-Album das Lied Schlaf war, ist auf dem Album Akephalos der Song Du fehlst. Die Ballade behandelt die immer wiederkehrende Thematik in den Texten der Unzucht, nämlich Vermissen, Schmerz und Sehnsucht. Stimmungsbildend sind vor allem die ersten 15 Sekunden des über vier Minuten andauernden Tracks. Denn das Intro besteht zunächst ausschließlich aus Gitarrenklängen und wird später dann erst mit den altbekannten Instrumenten komplettiert, die virtuos von jeden einzelnen Bandmember gespielt werden. Eher ruhig gehalten, aber nicht weniger energisch.
Da Der Schulzs Stimme nun mal ihre unverwechselbare Klangfarbe besitzt, ist man die ganze Zeit gebannt vom Gesungenem. Inhaltlich kann man eine wesentliche Kernaussage benennen: Nie geht man so ganz. Je nachdem wer geht bzw. wer fortgegangen ist, bleibt ein Teil bei einem oder wird mitgenommen. Man erinnert sich zurück an eine vergangene Zeit, die nie wiederkehren. Es kommt Sehnsucht, Schmerz, Leidenschaft, Leben, Leid, Liebe u.v.m. in einem auf.

Und danach wird auf Der schmale Grat gerockt. Der Titel beschreibt den besagten Grat auf dem wir uns nonstop befinden. Kann ich mich so verhalten wie ich bin? Muss ich mich jetzt gerade vielleicht anders verhalten, weil ich sonst in der Gesellschaft nicht weiter komme? Wer oder was bin ich? Was kann ich riskieren und was hindert mich eigentlich daran ich zu sein? Und zerbricht man eigentlich daran, wenn das Herz das Kommando übernimmt und man danach lebt? Es wird Zeit sich selbst Zeit zu nehmen und mal einen Schritt langsamer zu machen. Lyrisch wird Unzucht-typisch ein Thema angesprochen, wovor viele von uns sich gerne drücken. Nämlich der Wahrheit ins Gesicht zu schauen. Spätestens bei einem Konzert der Vieren wird man sich dieser ganz persönlichen und individuellen Erkenntnis bewusst. Hin und wieder hört man im Song Guitarhero Daniel De Clercq, im wahrsten Sinne des Wortes, aufschreien. Wer es kennt, weiß was ich damit meine. ??

Da eine Medaille ja immer zwei Seiten hat, lässt sich das Lied Nur die halbe Wahrheit als die andere Hälfte des vorausgegangenen Songs deuten. Denn nach der Erkenntnis kommt das Wundenlecken. Aus Erfahrungen lernt man und nicht ein betrügerisches Versprechen zu sich selbst, so heißt es im Lied „Demut bindet, nicht der Schwur“. Die Unzucht stellt die Phase dar, in der wir uns selbst belügen, während wir uns in einer dunklen Zeit befinden. Einer der metallastigsten Songs, der mit zusätzlich auftauchenden screaming Vocals von De Clercq untermalt wird.

Wenn es dunkel ist und nass, dann kann es sein, dass man sich vielleicht Nachts im Meer befindet….
.. oder man,… na gut lassen wir das ????. So jedenfalls nennt sich Song Nr. 8 auf Akephalos. Beginnend mit einem Indie/Darkrock/Metal-Mix schallt er voran, die eine Art der Ratlosigkeit und Suche nach etwas, vom Tempo her verdeutlichen. Hochloben darf man hier auch das wieder länger anhaltende Intro. Klar besteht ein Lied aus Text bzw. Gesang und Musik, aber beides im Gleichgewicht zu halten ist eine Kunst für sich – welche die Unzucht natürlich spielendleicht meistert. Mit den Augen auf den Inhalt gerichtet, beschreibt der Song die Blindheit die einen ereilt, wenn man das sehen mit den Augen verlernt hat und nicht weiß wohin es einen führt. So blind wie man nun mal ist, wenn man Nachts im Meer versucht zu schwimmen. Ab dem Punkt muss man seinen Gefühlen vertrauen schenken, um den Ballast abwerfen zu können und neue Pfade einzuschlagen.

Der Preis für den besten „Voll auf die Fresse“-Song auf dieser Platte geht an: Fleisch und Ruinen. Also wer jetzt nicht wach geworden ist durch Herrn De Clercq gewaltige Stimme. Nebst dieser ist es erneut einer der Songs, bei dem der Bass noch deutlicher herauszuhören ist. Hier spielt die Unzucht mit den verschiedenen Schnelligkeiten der Rhythmen im Lied. Die Screamparts sind begleitet von den härteren als auch schrofferen Gitarrenriffs. Sobald Der Schulz mit seiner gefühlvollen Stimme einsetzt, herrschen für einen kurzen Zeitraum etwas mehr ruhigere Töne. Wie gesagt aber nur für kurze Zeit – daher auch das Spiel mit dem Tempo.

Der vorletzte Track ist Das sichere Ufer. Ein Song, der starke Bindungen zwischen Menschen beschreibt; solche, die ganz speziell sind, wie zwischen Seelenverwandte, Freunde, Familie, Pärchen, etc.. Eben jene Menschen, auf die man sich stets verlassen kann. Und dies ohne Ausnahme.
Jeder von uns hatte schon mal diesen Moment, aus den er ohne die ‚rettende Hand‘ nur sehr schwer bis gar nicht raus gekommen wäre. Aber zum Glück war doch dieser eine Mensch da, der sich mit einem in den Dreck des Lebens gelegt hat und sicherlich so etwas sagte wie „….ganz egal wie schwer es wird, nimm nicht hin, was dich zerstört….“. Diese Defintion von Hoffnung und Gewissheit auf Das sichere Ufer wird von eingängigen & melodischen Rocksounds zu einem großen Ganzen gemacht. Einfach nur traumhaft!

Alle guten Dinge sind…. 12! Zumindest bei der Unzucht Ein Wort fliegt wie ein Stein. Huch? Covert sich die Band nun schon selbst? Natürlich nicht ^_^ Aber der Song wurde gefeaturet mit der Mittelalterband Saltatio Mortis! Durch die Dudelsäcke und Aleas Stimme bekommt der Song eine Portion Feuer nochmal oben draufgesetzt. Man könnte sogar fast behaupten, wenn wir es nicht besser wissen würden, der Song sei aus den Federn von Saltatio Mortis entsprungen. Eine sehr schöne Art und Weise das Stück neu zu interpretieren. Gratulation an Unzucht & Saltatio Mortis für die gelungene Zusammenarbeit!

Ein tolle Unzucht-Platte, die keinesfalls einfältig klingt und dennoch es schafft, ihre musikalischen Wurzel und Eigensound mit einfließen zu lassen. Akephalos bietet einen Marsch durch die ganze Gefühlswelt an, ohne dabei einen Appell auszulassen, dass jede bescheidene Situation mit den richtigen Menschen an der Seite, nur noch besser werden kann. Auch wenn der erste Stein mit der Selbsterkenntnis gelegt werden muss und dann erst zum Ziel führt. Von treibenden Basssounds, in den Allerwertesten tretenden Drumklängen und schroffen Gitarrenriffs, als auch due unverwechselbare Stimme von Der Schulz ist alles mit inbegriffen. Man wird nach eknem Kauf der CD oder vielleicht der Fanbox nicht enttäuscht sein, ganz im Gegenteil! Und das gilt erst recht für ein Konzertbesuch. Ich weiß, wovon ich rede und werde mich auf der kommenden Tour nochmal für euch auf die Lauer legen. 😉

Überiges hat mir ein Vögelchen den Inhalt des Limited Fan-Sets gezwitschert. Es beinhaltet: 1× exklusive Bonus Disc mit Piano Versionen, 1x Flagge, 1x Aufnäher & eine handsignierte Autogrammkarte. Erhältlich bei Out Of Line. Ein absolutes Must-Have und eine wärmste Empfehlung von mir ist selbst mal auf einem Konzert der Unzucht zu gehen (Special Guest: Johnny Deathshadow).

Tracklist: 01. Projektil
02. Nela
03. Der Tod in mir
04. Die verbotene Frucht
05. Akephalos
06. Du fehlst
07. Der schmale Grat
08. Nur die halbe Wahrheit
09. Nachts im Meer
10. Fleisch und Ruinen
11. Das sichere UferBonus Track:
12. Ein Wort fliegt wie ein Stein (feat. Saltatio Mortis)
Release: 27. Juli 2018
Genre: Dark Rock
Label: Out Of Line
Anspieltipp: Du fehlst, Der schmale Grat, Nur die halbe Wahrheit,
Ein Wort fliegt wie ein Stein
Homepage: www.unzucht-music.com

 

Text: Angy Bark
Artwork: Stefan Heilemann (HEILEMANN)

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