CD Review: Ost+Front – „Adrenalin“

Die Schock-Rocker der Berliner Band OST+FRONT sind zurück – und dabei voll auf Adrenalin!

Genau diesen Namen trägt ihr 4. Studio-Album, welches ab dem 16.02. in den Platten-Läden und Online-Stores erhältlich sein wird. Schon auf den Vorgängern Ave Maria (VÖ 2012), Olympia (VÖ 2014) und Ultra (VÖ 2016) spielten die Herren um Frontmann und Sänger Herrmann Ostfront – Bassist Wilhelm Rotlauf, Gitarrist Siegfried Helm, Gitarrist Otto Schmalzmann, Schlagzeuger Fritz Knacker, sowie Keyborder und Trommler Eva Edelweiß – mit erbarmungslosen Texten, harten Melodien und extravagantem Aussehen. Mit ihren provokanten textlichen und bildlichen Grenzüberschreitungen stießen sie bisher jedoch nicht immer auf positives Feedback.

Da OST+FRONT mit Adrenalin jetzt noch eine ordentliche Schippe drauflegen, ist davon auszugehen, dass auch dieses Mal die Kritiken hohe Wellen schlagen werden. Wie hoch diese sein werden, wollen wir hier ergründen, indem wir uns den neuen Silberling einmal genauer ansehen und anhören…

Den Anfang macht der titelgebende Song Adrenalin. Gewohnt herb und brachial donnern dem Hörer die Riffs und Drums entgegen, bis Herrmanns tiefe Stimme einsetzt: „Die Sinne geschärft, die Pupillen sind weit, am Limit geboren und zu Allem bereit„. Man spürt förmlich, die Schreib- und Produktionsphase trug Früchte und der kreative Input will endlich raus. Energiegeladen und zum Headbangen einladend macht der Opener schon einmal eine sehr gute Figur. Doch die folgenden Songs stehen dem in Nichts nach. Die zweite Album-Auskopplung, die am 02.02.2018 Veröffentlichung feierte, ist auch der zweite Titel des Albums: Heavy Metal. Musikalisch eindeutig eine Richtung, die OST+FRONT bisher eher selten einschlugen, überzeugt dieser Song vor allem durch klassische Heavy Metal Einflüsse. Ganz typisch für die Band ist auch dieser Titel absolut zum Mitfeiern und Mitrocken geeignet. Weiter geht es mit Disco Bukkake. Der geneigte Konsument von „Erwachsenenfilmchen“ weiß eventuell mit dem Begriff „Bukkake“ etwas anzufangen, für die die es nicht tun: www.gidf.de 😉 … Dass OST+FRONT gerne auch mal sexuell über die Strenge schlagen, haben sie ja bereits mit Songs wie Liebeslied oder Gang Bang unter Beweis gestellt. Doch mit Disco Bukkake legen sie textlich nochmal einen drauf. Musikalisch ist der Song erstaunlich tanzbar und hat durch elektronische Einflüsse richtig Drive. Auch der Nachfolgesong U.S.A. hat vor allem zu Beginn eindeutig elektronische Einflüsse, die sogleich geschickt mit harten Riffs und noch härteren Lyrics gemischt werden. Thematisch etwas an 911 anknüpfend, wird auch hier die politische Einstellung der Amerikaner kritisiert. Vermengt wird hier auch ein Teil Deutscher Geschichte – sei es der eindeutige Akzent mit dem einige Textpassagen gesungen werden, oder Worte wie „Vernichtungskrieg“ oder „über alles auf der Welt„, die keinen Zweifel an ihrer Herkunft lassen. Sicher ein Song, der zum Interpretieren und Streiten einläd, da er von dem Einen mit einem Augenzwinkern, von dem Anderen vielleicht einen Tick zu ernst genommen werden kann. Also genau das, was OST+FRONT können und mögen: Meinungen spalten.

Puppenjunge beginnt deutlich schwerer, aber nicht weniger eingängig. Textlich spielen die Berliner Rüpel-Rocker hier mit gleich zwei Tabus: Kindesmissbrauch und Kannibalismus. Dass aber auch dies nicht neu ist, bewiesen bisher Lieder wie Sonne Mond Und Sterne oder das Denkelied. Auch musikalisch kann man Puppenjunge diesen Songs zuordnen: schwere Riffs und etwas befremdlich performte Lyrics über die Strophen hinweg und einprägende, sowie melodische Worte im Chorus. Mit Blattzeit reißen OST+FRONT etwas aus dem bisherigen Sound des Albums aus. Zwar immer noch mit elektronischen Elementen versehen, ist dieser Titel deutlich schneller und wirkt somit auch deutlich härter als die bisherigen. Live sicher ein Garant für hemmungsloses Pogen und Speed-Headbangen, sorgt dieser Song für das nötige Adrenalin beim Hörer. Arm Und Reich wurde als erste Single des Albums samt Video ausgekoppelt (VÖ 22.12.2017). Bildlich eine Szenerie, die an das letzte Abendmahl erinnert – natürlich ordentlich aufgesext durch zwei „leicht bekleidete“ Damen – beschäftigt sich der Song textlich mit der breiten Kluft zwischen Armen und Reichen. Während sich im Video zu Arm Und Reich die Damen noch halb nackt räkelten und in Disco Bukkake die Frau zum benutz- und beschmutzbaren Sexobjekt degradiert wird, werden in Böses Mädchen vor allem die weibliche Dominanz und die Abgründe ihrer Sexualität thematisiert, wie auch schon in Ich Liebe Es. Musikalisch zeigen OST+FRONT hier wieder ihren typischen Stil aus hartem Sprechgesang in den Strophen und melodischem Gesang im Chorus.

Mit 10 Jahre OST+FRONT feiern die Herren nicht nur ihr diesjähriges Jubiläum, sondern auch sich selbst, ihren teils zweifelhaften Ruf und natürlich ihre Fans. „10 Jahre OST+FRONT, kein bisschen leise. Wir nehmen dich mit auf unsre Reise zu den Abgründen der Menschheit, zu den Schatten im Verstand. Steh mit uns Seite an Seite, nimm dein Schicksal in die Hand“ – selbstironisch, absolut ehrlich reflektiert und mit einem Mittelfinger Richtung Kritiker und Hater wird dieser Song definitiv eine Hymne werden, die von Band und Fans gleichermaßen gefeiert werden wird. Sehr, sehr geiles Teil!

Weiter geht es in üblich schwerer OST+FRONT-Manier mit Edelweiß. Diesmal werden jedoch sowohl die Strophen, als auch der Chrous melodisch gesungen, wodurch zunächst ein wenig der Eindruck einer Ballade entsteht, doch zum Ende hin wird es wieder härter. Textlich befasst sich Edelweiß mit dem viel zu früh aufgezwungenen Militärdienst und mit anschließender Fahnenflucht. Ähnlich der Thematik der Freiheit verschrieben hat sich der Titel Hans Guck In Die Luft: „Grenzenlos und frei, frei wie der Wind, fliege ich davon, frei wie ein Vogel.“ Doch trügt dieser friedliche und scheinbar glückliche Eindruck, der vor allem durch die eingängige Melodie erschaffen wird, denn hört man genauer hin so wird deutlich, dass es um Todessehnsucht und mehrere fehlgeschlagene Suizid-Versuche geht: „Als ich ein halber Mann schon war, war mir mein Wunsch noch immer klar. Mit voller Brust und viel Geschick, wollt ich zerbrechen mein Genick„. Mit Du Gehst Mir Unter Die Haut schaffen OST+FRONT hier eine Hommage an die Farbe unter der Haut, das Tattoo. Jedes Tattoo erzählt eine eigene Geschichte, ob gut oder schlecht, und ist somit ein Abbild dessen, was uns zu dem macht, was wir heute sind. Man sollte sie mit Stolz tragen und die Erinnerungen an verschiedene Lebenssituationen behalten. Den würdigen Abschluss von Adrenalin bildet das Lied Alte Liebe, welches sich thematisch mit der Liebe eines Sohnes zu seiner Mutter befasst. Doch an einem gewissen Punkt schlägt diese unschuldige Liebe in etwas nicht wirklich Gesundes um, denn zwischen Mutter und Sohn entwickelt sich eine ödpale Beziehung an deren Folgen die Mutter verstirbt und ihren Sohn einsam zurück lässt.

Diesen etwas faden Beigeschmack des letztens Songs von CD1 macht Ich Will Alles, der Opener von CD2, wieder wett. Sich lyrisch um Medikamenten- und Alkoholsucht und die Maßnahmen der Beschaffung drehend, kann auch dieser Track durch OST+FRONT typisches hartes musikalisches Handwerk, gemischt mit rhythmischen Polka-Sounds und Ballermann-ähnlichen Dadada-Chören, überzeugen. Bluthund greift noch einmal die elektronsichen Einflüsse auf, die bereits zuvor mehrfach auftraten. Auch Rosenkavalier ist noch einmal in diesem Stil gemacht. Dieser Song befasst sich, ähnlich wie schon Böses Mädchen, mit der weiblichen Dominanz gegenüber Männern. Das i-Tüpfelchen dabei sind die melodiös vorgetragenen Strophen und die harten von Sprechgesang dominierten Refrains, unterstützt vom eingängigen OST+FRONT Sound. Mit Willenskraft geht dieses neue und überaus gelungene Werk schließlich zu Ende. Hier zeigen die Berliner nochmal ihr ganzes Repertoire: tiefer teils gebellter Sprechgesang, harte Riffs, donnernde Drums, leichte Elektro-Einflüsse und ehrliche Lyrics. Typisch OST+FRONT und doch irgendwie ganz anders – eine neue Stufe sozusagen.

OST+FRONT beherrschen das Wechselspiel zwischen Spaß und Brutalität, melodischem Bombast und erbarmungsloser Härte, Zerbrechlichkeit und mitten in die Fresse wie kaum eine andere Band und das beweisen sie auf ihrem neuen Werk einmal mehr. Generell kann man sagen: auf Adrenalin ist einfach alles erlaubt! Von Bierzeltpolka bis Ballermann-Techno, von Neue Deutsche Welle bis Neue Deutsche Härte – sie präsentieren sich abwechslungsreich, bleiben jedoch ihrem unverkennbaren Stil dabei immer treu. Damit sollte für jeden Fan der ersten Stunde und auch jeden neuen Fan etwas dabei sein.

Und wenn das als Kauf-Argument nicht reicht: Adrenalin erscheint sowohl als einfache CD, Deluxe Doppel CD, limitiertes Doppel-Vinyl und als limitierte Fan-Box mit Doppel-CD, Bonus-Live-Doppel-Album Live in Moskau, handsigniertem Zertifikat, Aufkleber und OST+FRONT Flagge. Ein absolutes Muss in jedem rockig orientierten Plattenregal!

Tracklist CD1:
 
01. Adrenalin
02. Heavy Metal
03. Disco Bukkake
04. U.S.A.
05. Puppenjunge
06. Blattzeit
07. Arm Und Reich
08. Böses Mädchen
09. 10 Jahre OST+FRONT
10. Edelweiß
11. Hans Guck In Die Luft
12. Du Gehst Mir Unter Die Haut
13. Alte Liebe
 
Tracklist CD2:
 
01. Ich Will Alles
02. Bluthund
03. Rosenkavalier
04. Willenskraft
Tracklist Bonus CD1:
 
01. Klassenkampf
02. Fiesta De Sexo
03. Fleisch
04. Feuerwasser
05. Liebeslied
06. Krüppel
07. Anders
08. Freundschaft
09. Dawaj Dawaj
10. Afrika
11. Vergiss Mein Nicht
 
Tracklist Bonus CD2:
 
01. Sonne Mond Und Sterne
02. Denkelied
03. Sternenkinder
04. Bruderherz
05. Gang Bang
06. Ich Liebe Es
07. 911
08. Volksmusik
09. Mensch
10. Bitte Schlag Mich
Release: 16. Februar 2018
Genre: Industrial / Metal / Gothic
Label: Out Of Line Music
Anspieltipp: Adrenalin, 10 Jahre OST+FRONT, Willenskraft
Homepage: www.ostfront.de

Text: Steph Lensky

Tagged .Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Kommentare sind geschlossen.