Die nunmehr 16. Runde des Amphi hätte eigentlich schon vor dem weltweiten Stillstand stattfinden sollen. Warum dem nicht so war und wir bis letzte Woche warten mussten, ist wohl jedermann bekannt. Auch das Amphi-Orga-Team wurde deshalb nicht müde, an beiden Tagen nicht nur einmal zu betonen, wie dankbar man wäre, dass die Besucher ihre Tickets behalten haben und somit auch die Version 2022 möglich machten.
Aber dieses Jahr war – wie so vieles – einfach anders. Es sollten erstmalig 50€ für die Akkreditierung bezahlt werden, was erst in Ordnung war (Dinge können sich ändern), aber bei Gesprächen mit diversen anderen Fotografen gab es von deren Seiten große Augen.
Scheinbar war das dann eher ein „Seltenheitsfall“ und kam zumindest bei den Befragten nicht vor. Warum? Das werden wir wohl nicht in Erfahrung bringen, brachte aber auch erst einmal keine Bankrotterklärung für die eigenen Tasche und somit ging man zwar überrascht mit einem „Gschmäckle“ in den Fotograben, aber nahm diesen Umstand eben hin und zuckte die Schultern. Hatte man eine andere Wahl? Wohl kaum. Zumindest war dies aber „interessant“. Weiter interessant war die Einteilung in zwei Gruppen, wobei die erste satte 16 Fotografen zählte, während Gruppe zwei lediglich 8 gelistet hatte und man daher lediglich 2 Songs covern konnte. Die Gruppeneinteilung sollte an Tag 2 vermutlich zu einem Problem werden. Aber dazu an besagter Stelle mehr.
Mit ein paar Bildern von Nachtblut aus der Menge heraus wurde dann losgelegt, so richtig Fahrt wurde aber fotografisch schließlich bei Stahlmann aufgenommen. Der allseits beliebte und stets gut gelaunte Mark Benecke machte, wie so oft, seine witzigen Ansagen und fragte u.a., was härter sei als Eisen. Natürlich Stahl. Wenn man einmal eine heterosexuelle Beziehung hatte, bestand sie aus einer Frau und einem…Mann. Was macht das im Wortspiel? Natürlich Stahlmann! Wie immer war diese Band auch diesmal wieder eine Augenweide – nicht nur für Fotografen und somit insgesamt einmal mehr ein Gesamtkunstwerk für Auge und Ohr.
Aber das alte Leid eines Fotografen ist ja, ständig auf der „Jagd“ zu sein und selten die Gelegenheit zu haben, eine ganze Show auch wirklich bis zum Schluss genießen zu können. Bei den vorherrschenden Temperaturen aber war dies ohnehin eine etwas „heiße Angelegenheit“ und man suchte nach Schatten und den Wasserstellen, die das Motto diesen Jahres „Glaube-Liebe-Amphi“ auf den bekannten Refill-Water-Bags versinnbildlichten, die auch in einer Handumdrehung ausverkauft waren. Das verwunderte aber kaum.
Also hieß es: Ab ins klimatisierte Theater. Dort konnte man in Erfahrung bringen, dass der Wasserstand des Rhein so niedrig war, dass die Orbit-Stage an die Altstadtseite verlegt werden musste – und das war nicht einfach, trotz Shuttle-Service – war dies schließlich eine „gepfefferte“ Distanz. Also bedeutete das im Klartext: Auf dem Gelände bleiben und mit dem Pendeln somit keine Zeit verlieren. Schade, denn The Foreign Ressort nebst Joy Division Undercover, Ash Code, She Past Away u.a. wären doch interessant gewesen, nur die Priorität lag eben aufgrund der Umstände eben bei Main Stage und Theater Stage.
Und so folgte im klimatisierten Theater die Eröffnung durch die sympathischen Jungs von Alienare und die Venue wurde schlagartig gut besucht. Das Haar saß, die Jungs befeuerten das Publikum, indem sie nicht nur ihre Stücke zum Besten gaben, sondern auch verdeutlichten, dass man die Handbremse endlich lösen dürfe und im Grunde 3 Jahre in einem feiern musste. So manche/r setzte dies auch postum um.
Dann hieß es aber wieder: Ab in die Sonne und rüber zur Performance von Letzter Instanz, während die Nachmittagssonne unerbittlich feuerte und man nur noch auf ein bisschen Schatten hoffte. Die Band gab, wie gewohnt, wieder alles und man konnte sich einmal mehr über die einzigartige Energie dieser Band erfreuen und erstaunen zugleich.
Sogleich führte der Weg direkt wieder ins Theater, wo Isaac Howlett von und mit Empathy Test erstmals selbiges vollständig füllte. Aber wen wundert es? Der sympathische Brite überzeugt nicht nur mit einer wahrlich goldenen Stimme, sondern mit einer Präsenz, die auf das Wesentliche reduziert. Und genau diese Mischung scheint anzukommen und lässt seine Fangemeinde rasant anwachsen. Verdient!
Solar Fake sorgten draußen dann wieder für tanzbare Rythmen und man war erstaunt und irgendwie erfreut zugleich, dass kein Geringerer als Elliot Berlin Andrès Platz würdig zu vertreten wusste, da dieser offenbar familiär verhindert war. Und so konnte das Trio auch neue Stücke und einiges aus ihrem gesamten Repertoire formidabel präsentieren. Das wieder etwas geräumigere und klimatisierte Theater durfte sich über Rome begeistern. Mit ihrem Sammelsurium an Instrumenten verzauberten sie in Folk-Manier die Zuschauer und sorgten für eine gute Portion Balsam für die Seele, die nach Entschleunigung suchte. Ein wahres Meisterwerk!
Bevor dann die erste Pause anstand, gab es dann noch Mesh auf die Ohren. Auch hier war erkennbar, dass die Briten Freude darüber zeigten, wieder Bühnenboden unter den Füßen zu spüren und umso intensiver erschien deren Performance. Synth mit eingängigen Riffs war auch an diesem Tag wieder ein eindeutig erkennbares Instrument, das sie gekonnt anzuwenden wussten.
Aber da auch Fotografen einmal einen Break benötigen, etwas trinken müssen und sich sozialisieren wollen, während SITD und Mono Inc. ihre Shows lieferten, ging es erst wieder mit Frozen Plasma weiter und Vasi Vallis und Felix Marc zeigten sich von ihrer Schokoladenseite. Mit ihrer Energie und ebensoviel Charme steckten sie das hitzegeplagte Publikum an und kitzelten nochmal Power aus den Zusehern.
Die Headliner überschnitten sich und somit hieß es: Wohin soll es gehen? The Birthday Massacre oder doch VNV Nation? Die Wahl fiel auf VNV Nation und einmal mehr zeigte Ron Emotionen und Feingefühl, vor allem aber die unsagbar große Freude darüber, wieder vor so vielen Zuschauern stehen zu dürfen. Der Ire lachte mitten in den Songs los und verstand es, immer wieder, die Zuschauer mit einzubeziehen. So hielt er nicht nur eines der „wegweisenden“ Einhörner in Händen und sorgte dafür, dass selbige wieder den Weg zu den Besitzern fanden (siehe kommende Gallerie auf Facebook), insbesondere stach er mit seinem Flair heraus, als einer der Zuschauer den Wunsch hatte, sein Tattoo von ihm unterzeichnen zu lassen. Erfolgreich. Ron schaffte es, ihn auf die Bühne zu bekommen und organisierte irgendwie einen Edding – und der Wunsch war somit schnellstens erfüllt. On Top bekam selbiger sogar beim Verlassen der Bühne zusätzlich eine Signatur Mark Beneckes als „Sahnehäubchen“ mit dazu und auch darüber wusste Ron sich ehrlich zu freuen.
Er wies auch auf die 30 Jahre VNV-Nation-Feier in Gelsenkirchen hin, welche am 30.07. stattfand.
Pünktlich um 22 Uhr war der erste Tag aber auch zu Ende und wer noch immer nicht genug bekam, konnte auf einem der Aftershow-Parties noch eine Weile länger das Tanzbein schwingen.
Tag 2 begann mit einem Hawaii-Feeling, das Aesthetic Perfection versprühten. Die Temperaturen waren im Vergleich zum Vortag noch unerbittlicher und somit war die Entscheidung schnell gefällt, es an diesem Sonntag etwas ruhiger angehen zu lassen.
Aber glücklicherweise gab es den „Traveller“-Pass, der den Zugang zur Bühne erlaubte und somit konnte die gesamte Show abgelichtet werden – aus allen Winkeln. Das lohnte sich und die „Beach Boys“ wurden somit ins rechte Licht gerückt! (Vielen Dank nochmal an dieser Stelle für diese Möglichkeit.) Natürlich verstand sich Daniel darin, mitsamt seinen „Mysterious Musicians“ die Menge anzuheizen – wobei das bei diesen Temperaturen ohnehin nicht mehr nötig war – und nicht nur den „Antibody“ zur Schau zu stellen (Wortspiel!).
Nach einer Abkühlung im Schatten mit viel Wasser gegen die Dehydrierung ging es schließlich weiter mit Suicide Commando, welche über die Bühne fegten, als gäbe es kein Morgen mehr. Energiegeladen sollte es bleiben, ließ Johan Van Roy die Menge sitzen und springen zugleich, als er „Die Motherfucker Die“ ins Mikro schrie und in seine morbide „Horror“-Gesamtshow einfließen ließ.
Weiter ging es ins Theater zu Erdling. Neil Freiwald fegte mit seinem Gefolge in düsterer Atmosphäre den Zuschauern den Boden unter den Füßen weg und überzeugte aus dem Crossover aus NDH und Pagan. Er erklärte ebenso, dass er diesen Auftritt nutzen wollte, um seine negativen Erinnerungen aus 2019 mit positiven zu „überschreiben“. Erstere führten leider zum Tod seines Vaters. Das Publikum gab alles, um Neil diesen „Gefallen“ zu tun und das Theater bebte.
Währenddessen warteten Diary of Dreams mit ihrer Performance auf der Main Stage auf.
Nach nur einem Song war allerdings erst einmal Zwangspause angesagt. Alle schauten sich fragend um und an, Adrian aber machte das Beste draus und witzelte, bis die Technik wieder einsetzen konnte. Was war passiert? Jemand trat im Graben offenbar auf ein Kabel und löste somit diese „Zwangsstille“ aus. Sehr ärgerlich, hatte es nämlich zur Folge, dass alle Fotografen sofort raus mussten und für den Rest der Show auch nicht mehr rein durften. Insgesamt aber tat das der guten Stimmung on und off Stage aber keinen Abbruch und das Quartett ließ sich mit Ventilatoren abkühlen so gut es ging und bei Ikarus und Traumtänzer das Publikum laut mitsingen. Es gab auch eine Ankündigung zum neuen Album. Wenn diese auch noch spärlich ausfiel, war die Freude der Fans trotzdem groß. Man darf also gespannt sein – und bleiben. Etwas vom Pech schien Diary of Dreams aber doch gewesen zu sein, denn die Hitze hatte zur Folge, dass mitten im Publikum ein Zuschauer zusammenbrach. Erste Hilfe aber war sofort zur Stelle.
Einmal mehr stand man somit wieder vor der alles entscheidenden Frage: Wohin soll ich gehen? Aber auch hier fiel die Wahl auf die Performance auf der Main Stage mit Eisbrecher, während London After Midnight und In Strict Confidence jeweils die Theater und Orbit Stages bespielten.
Und ein Alexx war überraschend gesprächig auf der Bühne, nahm das Publikum ein, präsentierte einige Stücke aus dem aktuellen Album Schicksalsmelodien und an dieser Stelle war es auch nicht mehr so „schlimm“, dass die Fotografen umorganisiert und gebrieft wurden und um Vorsicht gebeten wurden. So konnte man in 8er-Gruppen in den Graben für etwa die Länge eines Songs und dann mussten man auch wieder raus. Zumindest hatte man dann mehr von Eisbrecher selbst. Alexx sorgte mit seiner Truppe für einen würdigen Abschluss.
Wer dann immer noch nicht genug hatte, konnte auch diesmal noch zur Aftershow-Party gehen. Manche kamen dem auch nach, oder saßen noch etwas länger am „Strand“, genossen den Ausblick auf den Rhein und unterhielten sich.
Der Löwenanteil allerdings machte sich auf den Rückweg.
Fazit: Schön war es, wenn auch anders. Aber die Vorfreude auf 2023 steigt, besonders Anbetracht der bereits zugesagten Bands. Danke. Auf ein hoffentlich mehr Liebe, etwas mehr Glauben und ganz viel Amphi im Folgejahr!