Festival Review: Plage Noire 2019 / Wangels

Aktuell scheint es, als würde die Zeit nur so an einem vorbeifliegen. Gerade noch stand der Weihnachtsbaum im Wohnzimmer und schon sprießen die Bäume im Wonnemonat Mai in den saftigsten Grüntönen. Selbst der in vieler Hinsicht düstere Monatsanfang ist inzwischen vergangen und somit ist auch das Plage Noire 2019 bereits Geschichte. Genug Zeit also, um das Wochenende am schwarzen Strand zu verarbeiten und noch einmal Revue passieren zu lassen.

Bereits zum dritten Mal öffnete der Weissenhäuser Strand an der Ostsee seine Pforten für das Indoor-Festival; in den Hallen der Ferienanlage ließ sich auch das für Anfang Mai sehr kühle, unangenehme Wetter erfolgreich ignorieren und auch neben den musikalischen Darbietungen gab es für die Besucher so Einiges zu erleben. Folgt uns also auf eine Reise zurück zu einem magischen Wochenende, an dem sich für ein paar Tage der weiße Strand schwarz färbt.

Der kalte Wind peitscht um die Nase und fast könnte man meinen, zwischen dem Rauschen des Regens entfernt eine Frauenstimme rufen zu hören. Vorbei an Ferienhäusern, verlassenen Minigolf-Bahnen und einer leeren Kartbahn führt der Weg zum Festivalgelände. Neben den Getränke- und Fressbuden ragt ein gewaltiges Zelt empor, in dem gerade Tanzwut ihre Show zum Besten geben. Laute E-Gitarren gepaart mit Dudelsäcken und der kratzigen Stimme des Teufels ziehen die Besucher in ihren Bann, doch ist die musikalische Richtung der Mittelalter-Rocker eher selten an diesem Wochenende. Schon an den eher dezenteren Outfits der Besucher war deutlich zu erkennen, dass das Plage Noire in diesem Jahr zu einem großen Teil geprägt von EBM und Elektro sein würde. Aber auch für die Unterhaltung zwischen den Konzerten wurde gesorgt. Neben den Ständen verschiedener Modelabel im Hauptgebäude gab es über das Wochenende verteilt Fashion Walks zur Präsentation der neuesten Kollektionen und Trends in der schwarzen Szene. Im Make-Up-Théâtre gab “der Monster-Macher” seine Künste zum Besten.
Für alle, die gar nicht genug von Beauty, Mode und Shopping bekamen, gab es neben dem Bazar-Zelt mit weiteren Ständen auch die Möglichkeit, im “Salon de Beauté” von anwesenden Make-Up-Künstlern wie Dae Joon oder Kami Zero und weiteren einen ganz persönlichen Plage-Noire-Look zu erhalten. Außerhalb des Hauptgebäudes gab es zusätzlich einen zwar kleinen aber feinen Mittelaltermarkt – leider wurde dieser nicht deutlich genug angekündigt, so dass zumindest das Musikprogramm auf der Marktbühne eher unterging.

Doch auch sonst hatte das Plage Noire musiktechnisch wieder einiges zu bieten. Im Salle de Fête im Hauptgebäude eröffneten die Merciful Nuns das Festival am Freitag, es folgten Szenegrößen wie Faderhead, Rotersand und als Headliner der Bühne In Strict Confidence, welche sicherlich nicht nur optisch einen bleibenden, großartigen Eindruck hinterließen.

Leider parallel zu den Spielzeiten im Salle de Fête betraten im La Rotonde nacheinander Lizard Pool, Lights of Euphoria und Schattenmann die Bühne, während immer knapp versetzt das Chapiteau von Lacrimas Profundere, Tanzwut und Project Pitchfork zum Beben gebracht wurde. Wer nach dem Freitags-Headliner – niemand Geringeres als Eisbrecher selbst mit ihrer Show zum 15-Jährigen Bestehen der Band – noch immer nicht genug hatte, konnte bei der Aftershow-Party noch bis in die frühen Morgenstunden die Nacht zum Tag machen. Hier hatten natürlich alle Gäste, die ein Zimmer direkt im Weissenhäuser Strand ergattern konnten, einen immensen Vorteil.

Musikalisch ging es am Samstag mit Fabrikc im Salle de Fête weiter, gefolgt von Eisfabrik und Clan Of Xymox. Diorama holten am Abend ihren 2018 leider abgesagten Auftritt nach und bewiesen wieder einmal, dass man auch über 20 Jahre Bandgeschichte noch lange nicht zum “alten Eisen” gehört. Hocico und De/Vision (letztere wurden wenige Wochen vor dem Festival als Ersatz für Front Line Assembly angekündigt) schlossen das Programm im Salle de Fête für 2019. Im La Rotonde wurde es am Samstag voll: Neben Oul – einer Dark Wave-Newcomer-Band aus München – gaben Rroyce und Hell Boulevard ihre Shows zum Besten. Ein besonderes Highlight waren hier eindeutig Letzere! Die Gothic Metal Diven konnten nicht nur mit ihrer Version von Hit me Baby One More Time das Publikum im zwischenzeitlich “wegen Überfüllung geschlossenen” La Rotonde überzeugen, sondern auch mit ihrem Goth ’n Roll – Sound.

Headliner der Bühne waren zum Abschluss des Samstags Angels & Agony. Auf der Hauptbühne im Chapiteau eröffneten Erdling den zweiten Festivaltag, gefolgt von Zeraphine.
Eine fast bizarre, recht eigenwillige Show boten Goethes Erben; die Band um Oswald Henke bezeichnet ihre Auftritte als “avantgardistisches Musiktheater”. Mit End Of Green folgte mein persönliches neu-wiederentdecktes Highlight auf dem Plage Noire. Die Dark Rock Band aus Stuttgart waren in diesem Jahr eine der wenigen eher Metal-lastigeren Bands auf dem Festival.
Bevor der Samstags-Headliner And One das Ende des Plage Noire für das Jahr 2019 einleitete brachten Saltatio Mortis noch einmal das Publikum im Chapiteau zum Tanzen.

Als besonderen Programmpunkt gab es am Samstag vormittags neben Lesungen von Christian von Aster und Markus Heitz einen Hörspiel-Workshop, bei dem die Geschichte um das Plage Noire und die weiße Frau gemeinsam mit den Teilnehmern aufgenommen und am Ende des Festivals über die Lautsprecher ausgestrahlt wurde. Auch am zweiten Festivaltag konnten sich interessierte Besucher wieder den Fashion Walks der anwesenden Labels widmen oder im Salon de Beauté verwandeln lassen.

LOB & KRITIK

Im Großen und Ganzen war das Plage Noire auch 2019 wieder ein entspanntes, zwar kleines aber entsprechend auch gemütliches Festival. Durch die Location konnte man das nasskalte Wetter getrost ignorieren, auch im beheizten Chapiteau war kaum etwas von Wind und Regen zu bemerken. Auch am kulinarischen Angebot gab es nichts auszusetzen, von einfachen Pommes aus der Pappschale am Bierstand (und die ewige Frage, warum es eigentlich auf Festivals noch keine Ravioli an den Futterständen zu kaufen gibt…) bis zu Pizza, Burgern, Auswahl an Vegetarischem und Veganem und für das echte Gothic-Feeling sogar Eis und Crêpes in stilechtem Schwarz war alles dabei und das zu – für eine Ferienanlage – recht humanen Preisen. Wer sich hingegen lieber selbst versorgen wollte, konnte auch im geländeeigenen Supermarkt einkaufen.

Größter Kritikpunkt war in meinen Augen die Aufteilung der Bands bzw. der Spielzeiten.
Natürlich kann man bei einem Festival nie wirklich alle Bands und alles auf dem Gelände sehen, aber die punktgenauen Überschneidungen der Bands im Salle de Fête und La Rotonde haben das Ganze zusätzlich erschwert, zumal es bei vielen Bands im La Rotonde schon nach wenigen Minuten aufgrund der Menschenmenge keine Möglichkeit mehr gab, in das Gebäude zu kommen. Auch der an der Außenwand angebrachte Monitor hat hierbei leider eher wenig Abhilfe geschaffen.

Für alle Gäste, die aus dem näheren Umkreis gependelt sind, war auch die Parkplatzsuche mehr Qual als Geschenk, denn zusätzlich zu den Festivalbesuchern war das Schwimmbad im Weissenhäuser Strand regulär geöffnet. Für die nächsten Jahre könnte in Erwägung gezogen werden, den Betrieb zumindest für die Haupttage des Festivals einzustellen oder die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln (bspw. einem Shuttle-Service vom nächstgelegenen Bahnhof) zu erleichtern.

Alles in allem gab es aber wenig auszusetzen, ich persönliche freue mich, dass das Plage Noire so erfolgreich wiederbelebt wurde und auch für 2020 schon wieder ein großer Teil der Tickets mit Unterkünften vergriffen sind – und das, obwohl noch nicht einmal die erste Bandwelle angekündigt wurde. Für alle, die auch im nächsten Jahr wieder zum Schwarzen Strand reisen wollen heißt es also: Eile ist geboten! Das nächste Plage Noire findet übrigens am 24. und 25. April 2020 statt.


KÜNSTLER 2019

Freitag: Merciful Nuns, Lacrimas Profundere, Faderhead, Lizard Pool, Tanzwut, Rotersand,
Lights of Euphoria, Project Pitchfork, In Strict Confidence, Schattenmann, Eisbrecher
Samstag: Fabrikc, Erdling, Eisfabrik, Zeraphine, Clan of Xymox, Oul, Goethes Erben,
Diorama, Rroyce, End of Green, Hocico, Hell Boulevard, Saltatio Mortis, De/Vision, Angels &
Agony, And One
Lesungen: Christian von Aster, Markus Heitz

 
Text: Flo Lerch
Photos: Holger Bär (Alldark-Foto)

04.05.2019 @ Plage Noire

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