Gut, so melodramatisch wie in unserer Überschrift ist der Wandel von auf Silberling gepresster Musik zur digitalen Verfügbarkeit in Streams und Downloads nicht. Jedoch scheint der Wind rauer zu wehen, was die Einnahmemöglichkeiten in diesem Bereich, speziell für wenig im Radio vertretene Musik, betrifft. Gared Dirge, Musiker bei Lord of the Lost, drückte es in unserem Beitrag über die Notwendigkeit von Merchandise einmal so aus: „Passion hin oder her, aber es gibt nichts Schlimmeres als an dem, was man liebt zu tun, bankrott zu gehen“.
Jüngst erntete die Band Crematory in einem Facebook-Post zu diesem Thema nicht nur Applaus, stellte die Gothic-Metal Band doch darin eine Absage ihrer geplanten Tour aufgrund geringer Vorverkaufszahlen in Aussicht. In diesem Zuge machte sie aber auch reinen Tisch, was den Erlös bei Musikverkäufen angeht. Dem Einen oder Anderem mag die genutzte Wortwahl der Mannheimer Musiker hart erscheinen, da so eine Tourabsage ja die Fans einer Band direkt trifft und diese ja überhaupt die sind, die für Umsätze bei den Plattenverkäufen sorgen.
Doch legt dieses Statement bei näherer Betrachtung genau den Finger in die Wunde, welche auch Nicht-Fans dieser Band betrifft, nämlich die sinkenden Verdienstmöglichkeiten von Künstlern der Alternativen Szene. Wobei ein Großteil der Musiker gar nicht mal von Verdienst spricht, sondern eher von Kostendeckung. Einen Einblick, wie sich dies bei der Planung einer Tour gestalten kann, gestattete im vergangen Jahr Daniel Graves (seines Zeichens Mastermind von Aesthetic Perfection) in seinem Videoblog. Auch für Albumproduktionen greifen Künstler vermehrt auf Crowdfunding-Aktionen zurück, wie beispielsweise Joachim Witt des öfteren.
Dass es aber auch ohne Offenbarungen oder Vorwürfe geht, das beweisen Vlad In Tears mit ihrer „Golden Ticket„-Aktion auf ihrer aktuellen Tour. Dabei handelt es sich um ein exklusives Ticket für ein Wohnzimmer-Konzert, was sich im aktuellen Album versteckt, welches wiederum exklusiv am Merch der derzeit laufenden „Souls On Sale“-Tour verkauft wird. Und mal am Rande: unserer Meinung nach lohnt sich der Kauf dieses Albums nicht nur deswegen 😉 .
Zählt also der CD-Käufer im Zeitalter von Streaming-Diensten zu einer ähnlich bedrohten Art, wie einst der Schallplatten-Käufer Mitte der 90er? Das wollen wir versuchen zu ergründen mit Hilfe von Fachleuten. Ob es uns gelungen ist, das lest ihr nun:
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René „Fribi“ Freiburghaus – Inhaber der Schweizer Plattenladens OUTSIDER:
Ginger: Ihr seid einer der wenigen verbliebenen klassischen Plattenläden – das hat Gründe. Wie sind eure Beobachtungen bezüglich des Konsums von Musik nach fast 30-jähriger Tätigkeit?
Fribi: Verändert hat sich viel, die CD stirbt einen langsamen Tod und das Vinyl feiert ein kleines Comeback, betont auf klein. Musik wird nach wie vor konsumiert, heute halt eher als Stream oder Download, da alles kurzlebiger geworden ist. Heute sind es eher die Ü30 Kunden, die noch Geld für physische Tonträger ausgeben und sich die Zeit nehmen diese auf dem Turntable oder CD Player zu genießen.
Bei vielen jungen Leuten sind die Interessen heute einfach anders gelagert. Man steht auf Games, Handys und technischen Schnickschnack, der genau so schnell wieder Out ist, wie er In wurde. Für die Musik mögen Viele nicht mehr zahlen und die, die es noch tun, sind zu 80% die gleichen Freaks bzw. Fans wie vor 30 Jahren.
Für einen Konzertabend mit Saufgelage und allem Drum und Dran sind viele Leute zu haben, auch wenn die Preise komplett überrissen sind, für einen Tonträger 25 Fr zu bezahlen eher nicht. Dieses sind die Zeichen der Zeit, Sprüche wie „Geiz ist Geil“ und „Für was zahlen, wenn’s im Netz gratis ist“ gehören in unsere kurzlebige Zeit. Darin zu überleben, heißt den Trends folgen und die Freaks zu finden, denen Musik auch heute noch was Wert ist.
Der Genießer hört heute wieder Vinyl und zelebriert das Ganze in seinen vier Wänden.
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Holly Loose – Autor & Sänger von Letzte Instanz:
Ginger: Von der GESAC (European grouping of societies of authors and composers) ist aktuell eine Petition im Unlauf, welche für „Kreativschaffende eine faire Bezahlung für die Online-Nutzung ihrer Werke“ (Zitat makeinternetfair.eu) fordert. Dies wird für selbstverständlich angenommen. Ist es das nicht?
Holly: Nein. Das ist es ganz und gar nicht. Die Schuld liegt hierbei aber gar nicht so sehr beim Konsumenten, denn dem ist es ja nicht zu verübeln, wenn er sozusagen nimmt, was er kriegt. Vielmehr sind die betreffenden Plattformen in der Pflicht für ein Gleichgewicht zu sorgen, denn sonst kommt die Musik nur noch vom Computer. Ohne Seele und ohne Menschlichkeit.
Ginger: Die Band, deren Stimme du seit 2005 bist, existiert bereits seit 20 Jahren. Wie hat sich die Musikwelt in den letzten zwei Dekaden verändert? Ist es unter den aktuellen Bedingungen leichter oder schwerer kreativ zu sein?
Holly: Das ist eine schwierige Frage. Ich glaube, jede Zeit hat ihre positiven und ihre negativen Momente. Früher war zum Beispiel die Produktion eines Albums aufwendig und teuer. Heute sitzen wir quasi im Wohnzimmer und machen Songs. Das hat allerdings zur Folge, dass der Markt aufgeteilt wird in professionelle und semiprofessionelle oder Hobby-Künstler. Oder nehmen wir Konzerte. Früher waren Clubkonzerte in der Regel eine teure Angelegenheit, wollte man alles vernünftig mit Lampen und geiler P.A. ausstatten. Heute kann man mit wenig schon ganz viel machen. Nicht zuletzt ist die Promo zu erwähnen: Hier brauchte es früher teuer zu produzierende Plakate, teure Zeitungsanzeigen, selbst Flyer waren teuer. Das alles hat sich sehr verbilligt. Hinzu kommt die nicht zu unterschätzende digitale und interessengebundene Werbung über Social Media-Kampagnen und ähnliches. Wie gesagt, alles Gute ist nie beisammen. Man muss immer schauen, welche Lücke sich bietet und wie man Stromschnellen gekonnt umschifft.
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Chris Harms – Produzent & Gründer von Lord of the Lost
Ginger: Vor deinem Mischpult in den Chameleon Studios versammeln sich Musiker der verschiedensten Genres. Würdest du sagen, das Absatzproblem bei CD-Verkäufen ist ein Spartenproblem, oder zieht es sich durch die komplette Branche?
Chris: Ganz ehrlich? Das weiß ich nicht, bzw. habe ich da nur zum Teil einen tieferen Einblick. Es ist allgemein bekannt, dass mit jünger werdendem Stammpublikum der Griff zur CD seltener wird, ergo wird der Volksmusikant mehr CDs verkaufen, während der Post-Dubstep-Newbie vermutlich maßgeblich gestreamt wird. Als Produzent und Musiker habe ich nicht die Expertise, wie einer aus der „Zahlenabteilung“ eines Labels oder Vertriebes. Ergo möchte ich wie folgt antworten: Es ist ein generelles Problem, das in seiner Intensität aber natürlich spartenabhängig ist.
Ginger: Durch deine diesjährige Nominierung für den Musikautorenpreis bist du nun Mitglied der Akademie Deutscher Musikautoren, welche eng verbunden ist mit der GEMA. Dieser Verband wird in der Öffentlichkeit sowohl als Fluch, als auch als Segen betrachtet. Wieso?
Chris: Die GEMA oder andere Verwertungsgesellschaften anderer Länder werden nur von denjenigen als Fluch bezeichnet, die nicht wissen, was die GEMA überhaupt macht und wie wichtig sie für uns als Kreativschaffende und Urheber ist. Verbraucher X sieht auf YouTube nur, dass irgendein Song, den er gern gratis anhören will, nicht abgespielt werden darf, weil sich YouTube mit der GEMA nicht einig wird. Das Problem ist in diesem Fall aber nicht die GEMA. Gäbe es die GEMA nicht, dann wären viele meiner Autorenkollegen heute bereits pleite. Ohne die GEMA hätte ich Lord of the Lost so nie aufbauen können. Ich empfehle: informieren, dann shitstormieren.
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Claudia Lange – Merchfee bei Stahlmann:
Ginger: Du bist seit Jahren im direkten Kontakt mit den Fans einer NDH/Gothic-Band. Hat sich das Kaufverhalten bei Fans über die letzten Jahre verändert, oder nutzen Anhänger einer Band das Einkaufserlebnis auf einen Konzert bewusster eben weil der Zugang zum Musikstreaming ein schneller Konsum ist?
Claudia: Ich bin zwar seit zweieinhalb Jahren nicht mehr mit ihnen unterwegs gewesen, aber auf den Konzerten sind immer relativ wenig CDs weggegangen. Wenn welche gekauft wurden, dann entweder, weil man die Band gerade für sich entdeckt hat oder aber um sich Autogramme darauf geben zu lassen.
Ich merke es aber auch selber bei mir, dass ich in den letzten Jahren eher auf Streaming Dienste umgestiegen bin, als CDs zu kaufen. Liegt sicher daran, dass man mittlerweile eigentlich alles mit dem Smartphone macht und nicht wie früher einen Discman mit sich rumschleppt. Ich hab in meinem Auto ja auch nicht mal mehr standardmäßig einen CD-Spieler drin. 😉
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Soweit die Ansichten und Einschätzungen von Vertretern der verschiedensten Berufsgruppen in der Musikwelt.
Das englischsprachige Musikmagazin Digital Music News hat in ihrem Bericht über die Bezahlungen seitens der Streamingdienste das Ganze auch einmal grafisch veranschaulicht.
Und wie ist eure Meinung? Wie konsumiert ihr Musik? Nutzt gern die Kommentarfunktion auf unserem Facebook-Profil um ins Gespräch zu kommen. 🙂
Text + Photo + Interviews: Ginger Chan
Sehe ich genauso. Habe zu Zeiten von Kazaa, Napstar und wie dir illegalen Tauschdienste nicht alle hießen noch gesagt, dass ich bereit wäre gegen eine moantliche Gebühr dafür alle Lieder hören zu können. Zahle deswegen auch gerne für Spotify Premium, vor allem weil Musik heutzutage deutlich kurzlebiger ist als früher. Wenn mir ein Künster besonders gut gefällt gehe ich aufs Konzert. Alben kaufe ich eigentlich so gut wie war nicht mehr, schon alleine weil ich eh zugriff darauf habe und als Hardcopy benötige ich es einfach nicht mehr (wer hört noch CDs?)